Auf den ersten Blick scheint es unlogisch, dass es Allianzen geben könnte zwischen rechtem, linkem und muslimischem Antisemitismus. Schaut man genauer hin, ist diese Befürchtung aber nicht mehr so abwegig. Die Islamforscherin Susanne Schröter jedenfalls warnt, dass der Antisemitismus in Deutschland weiter zunehmen könnte.
Die Direktorin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam an der Frankfurter Goethe-Universität weist darauf hin, dass drei gesellschaftliche Gruppen dafür den Boden bereiten: muslimische, linke und rechte Kreise. „Da ergeben sich gerade beunruhigende Allianz-Möglichkeiten», sagt Susanne Schröter. Sie befürchte, dass da gerade dauerhafte Synergieeffekt am Entstehen sind. Das sei für unsere Gesellschaft ein ziemlicher Sprengstoff.
Was die Deutung des Nahost-Konflikts anbelangt, stünden alle drei Gruppen auf derselben Seite.
Religiös begründeter Antisemitismus im Islam
Im Islam gebe es einen religiös begründeten Antisemitismus. Das sei ganz offensichtlich bei islamistischen Gruppierungen wie der Muslimbrüderschaft, aus der auch die Hamas hervorgegangen ist. Der Hass auf Juden und das Ziel der Vernichtung Israels sei ihr Gründungsfundament.
Auch in den muslimischen Communitys in Deutschland gebe es weitverbreiteten Antisemitismus, sagt Susanne Schröter. Muslimische Verbände hätten die Terrorakte der Hamas spät, halbherzig und manchmal auch nur vorgeschoben verurteilt. Auf Palästina-Demonstrationen sehe man einen „Schulterschluss“ zwischen Religiösen, die „Allahu Abkar“ riefen und Linken, die „Free Gaza“ riefen.
Postkolonialismus speist linken Antisemitismus
Auch in akademischen linken Kreisen sieht Schröter „einen explizit propalästinensischen Fokus und starke antiisraelische Stimmen“. Das speise sich aus einer postkolonialen Theorie, laut der Israel als „weißer Täterstaat“ gesehen werde. „Diese falsche, aber wirkmächtige Konstruktion ist unmittelbar anschlussfähig an islamistische Narrative“, so Schröter.
Allianz zwischen Nationalsozialismus und Muslimbruderschaft
Diese Haltung sei auch anschlussfähig an rechte Narrative, erklärt Schröter. Bereits in den 1930er-Jahren habe es eine Allianz gegeben zwischen den Muslimbrüdern und den Nationalsozialisten: „Sie hatten ein gemeinsames Ziel: die Vernichtung der Juden.“
Es gebe bis heute weltanschaulich „Überschneidungen von islamistischen und rechten Kreisen». Man müsse beobachten, wie sich das weiterentwickelt.
All das treffe nun auf einen latenten Antisemitismus, der in Deutschland nie vollständig verschwunden sei. Durch den gegenwärtigen Israel-bezogenen Antisemitismus würden alte Ressentiments wieder wachgerufen. Das sei eine ganz schwierige Gemengelage.
Susanne Schröter findet es ganz wichtig, dass die Politik klare Haltung zeigt und Konflikten nicht ausweicht. Die Politik dürfe „den offensichtlichen Antisemitismus islamischer Verbände“ nicht länger ignorieren und Hassparolen gegen Israel oder Rufe nach einem Kalifat nicht dulden:
„Wir müssen diese Debatte führen. Und wir müssen sie jetzt führen. Eine multikulturelle Gesellschaft wird sich nicht von selbst zurechtrütteln, indem wir die Probleme ignorieren.“
Quelle:
Islamforscherin warnt vor „beunruhigenden Allianzen“ bei Antisemitismus (WELT)
Anmerkungen:
☛ Von Susanne Schröter gibt es ein lesenswertes Buch:
«Global gescheitert? Der Westen zwischen Anmassung und Selbsthass»
☛ Zur Zusammenarbeit der Nazis mit den Muslimbrüdern hat Matthias Küntzel ein lesenswertes Buch geschrieben:
«Nazis und der Nahe Osten – Wie der islamische Antisemitismus entstand»
☛ Zum Postkolonialismus:
Postkolonialismus auf Abwegen: Begeisterung für Osama Bin Laden
Hamas-Massaker und akademische Verblendung
Reinhard Schulze kritisiert antipalästinische Propaganda der Linken
☛ Ausserdem: