«Antisemitismus in emanzipatorischen Subkulturen und Bewegungen» lautet der Untertitel des Buches von Nicholas Potter und Stefan Lauer (Hrsg.). Es gibt einen langjährigen rechten Antisemitismus und einen durch Einwanderung importierten Antisemitismus. Dass Judenhass auch in linken Kreisen vorkommt, zeigte sich aktuell bei Reaktionen auf das Hamas-Massaker in Israel. Viele besorgte Menschen fragen sich, wie das geschehen konnte. Das Buch von Nicholas Potter und Stefan Lauer kann bei diesem Thema weiterhelfen und zu mehr Klarheit beitragen.
Der Verlag schreibt zum Buch «Judenhass Underground»:
«Antisemitismus boomt. Mal wieder. Auch in Subkulturen und Bewegungen, die ein emanzipatorisches Selbstbild kultivieren. Punk oder Techno, Hiphop oder Hardcore, Klimabewegung oder queere Community: Diverse Szenen im linken Spektrum, die sich sonst auf der „richtigen Seite“ der Geschichte wähnen, können oder wollen ihn oft beim besten Willen nicht erkennen. Mehr noch: Gerade durch den Antisemitismus stilisieren sie sich als „die Guten“ – durch Songtexte gegen geldgierige Globalisten und die mächtigen Rothschilds oder Boykottkampagnen gegen den „Kindermörder Israel“. Antisemitismus vereint. Antirassist*innen landen bei Verschwörungspredigern, Möchtegern-Antifas bei Rechtsextremen der Grauen Wölfe, Queers marschieren neben Islamisten. BDS will nahezu jedes Anliegen für Israelhass kapern, ob CSD, Klimademos oder Mahnwachen für die Opfer rechtsterroristischer Anschläge. „Free Palestine“ sei ein feministisches Thema, stehe für queere Befreiung, bedeute Klimagerechtigkeit oder Klassenkampf. Judenhass geht auch Underground. Aber das macht ihn nicht weniger gefährlich. Dieses Buch ist eine Anklage mit anschließender Diskussion. Kritisch, aber konstruktiv.
Mit Beiträgen von Timo Büchner, Riv Elinson, Ruben Gerczikow, Max Kirstein, Stefan Lauer, Nikolas Lelle, Konstantin Nowotny, Monty Ott, Annica Peter, Nicholas Potter, Jan Riebe, Merle Stöver, Anastasia Tikhomirova, Tom Uhlig und Lilly Wolter.
Und Interviews mit Laura Cazés, Rosa Jellinek, Leon Kahane, Lutz Leichsenring, Luisa Neubauer, Shahrzad Eden Osterer, Massimo Perinelli, Ben Salomo, Yaron Trax und Hengameh Yaghoobifarah.»
Zitat aus «Judenhass Underground»:
Massimo Perinelli wird im Buch «Judenhass Underground» gefragt, warum es zu dieser antiimperialistischen Renaissance kommt, die am linken Antisemitismus beteiligt ist.
Massimo Perinelli:
«Es fehlt vor allen Dingen an einer guten Auseinandersetzung damit, das hat auch mit der Dominanz von Identitätspolitiken zu tun. Jeder hat immer aufgrund der eigenen Positionierung einfach recht. Kritisches Denken gibt es kaum. Debatte wäre aber zentral. Es fehlen Räume, Konzepte und auch die Lust dafür. Leider machen alle nur noch Welterklärungen und niemand hat mehr Fragen: Ist es denn wirklich fortschrittlich zu sagen: “Free Palestine from the river to the sea“? Bedeutet das eine bessere Welt? Wer wird da befreit und wer bekommt an Ende was? Statt sich zu fragen, wie eine gerechte Gesellschaft aussehen kann, wird wie vor über 100 Jahren wieder von dem Selbstbestimmungsrecht der Völker gesprochen. Verkürzung, Vereindeutigung, Vereinseitigung und Verdummung: Auch das ist Zeitenwende.»
Quelle der Zitate:
„Judenhass Underground: Antisemitismus in emanzipatorischen Subkulturen und Bewegungen“, von Nicholas Potter und Stefan Lauer (Hrsg.), Hentrich & Hentrich Verlag 2023.
Anmerkungen:
☛ Zu Antisemitismus / Judenhass im linken Spektrum siehe auch:
Wie Antiimperialismus zu Antisemitismus führt
Säkulare in Israel zahlen den Preis für den religiösen Fanatismus
☛ Die von Massimo Perinelli erwähnten Identitätspolitiken haben einige Berührungspunkte zu Antisemitismus / Judenhass. Worum es bei Identitätspolitik geht, wird hier genauer beschrieben:
Identitätspolitik unterminiert Demokratie und Rechtsstaat
Was Identitätspolitik mit Religion verbindet
Identitätspolitik und Postfaktualismus greifen Basis der Wissenschaft an
Identitätspolitik – die Gemeinsamkeiten mit Verschwörungstheorien
☛ Dass im Kontext der Identitätspolitik „jeder aufgrund der eigenen Positionierung einfach recht“ hat, ist eine Folge der Standpunkttheorie:
Identitätspolitik und Postfaktualismus greifen Basis der Wissenschaft an