Die britische Philosophin Kathleen Stock befasst sich in ihrem Buch kritisch mit der Theorie der Geschlechtsidentität, nach der ein inneres Gefühl darüber entscheidet, ob man ein Mann oder eine Frau ist, während biologischen Fakten keine Bedeutung mehr zugestanden wird.
Kathleen Stock packt dabei mit grosser Sorgfalt ein Thema an, dass seit einiger Zeit hoch umstritten ist, und zur Polarisierung der Gesellschaft beiträgt. Sie belegt, warum das biologische Geschlecht wichtig bleibt, trotz aller Diskussionen um das soziale Geschlecht (Gender).
Von transaktivistischen Kreisen wurde Kathleen Stock für ihre Positionen als transphob diffamiert, weil sie zentrale Dogmen dieser Lobby in Frage stellt. Die Vorwürfe sind ideologisch begründet und lassen sich nicht mit Aussagen von Stock belegen.
Für die Philosophin Petra Gehring ist das Buch durchaus „kein Skandaltext, sondern eine lesenswerte […] im Ergebnis liberale Studie, die sich mit begrifflichen Grundlagenfragen rund um Geschlechterkonzepte befasst, aber auch wissenschafts- und rechtspolitische Empfehlungen äußert. Meisterhaft handhabt die Autorin das Werkzeug des geduldigen Arguments.“
Petra Gehrig schreibt in ihrer Rezension für die «Zeit» (zit. nach Wikipedia), Kathleen Stock trete für Solidarität mit und Respekt für Transpersonen ein und empfehle, von ihnen in dem gewünschten Geschlecht zu sprechen. Geschlecht sei jedoch für Stock nicht ausschließlich eine soziale Tatsache, sondern habe auch biologische Aspekte.
Eszter Kováts zum Buch von Kathleen Stock
Die Politikwissenschaftlerin Eszter Kováts schreibt zum Buch von Kathleen Stock:
«Nach dem Ansatz der Geschlechtsidentitätstheorie ist das, was einen Menschen zu einem Mann oder einer Frau macht, die eigene, tief empfundene Identität und somit etwas, das nur der betreffende Mensch selbst wissen kann. Dies ist eine radikale, ontologische Behauptung, die grundlegende Fakten der Biologie negiert beziehungsweise biologische Tatsachen wie soziale Konstrukte behandelt. In ihrem Buch geht Stock den intellektuellen Wurzeln dieser Theorie nach, nimmt mehrere Faktoren unter die Lupe, die ihren raschen politischen Erfolg erklären könnten, und befasst sich mit deren Folgen nicht nur für die Rechte der Frauen, sondern auch für unsere gemeinsam geteilte Realität.»
Eszter Kováts geht auch auf die Kampagne ein, die gegen Kathleen Stock läuft, und auf die Rolle der Linken:
«Viele Linke sind der Auffassung, dass die Cancel Culture ein von den Rechten erfundenes Konzept ist. Eines ist sicher: Meinungsfreiheit schließt nicht aus, dass die eigene Meinung kritisiert werden darf. Doch gerade die Art und Weise, wie Stock in den vergangenen Jahren und insbesondere seit der Veröffentlichung ihres Buches angegangen wurde, zeigt, dass es dieses Phänomen in der Linken durchaus gibt und dass es ernst genommen werden muss.
Die Lage ist heikel, denn niemand in der Linken möchte als rechts abgestempelt werden und noch weniger als nützlicher Trottel für die Rechten dastehen. Doch wir sollten uns den nötigen Freiraum verschaffen, um diese dringend erforderlichen Debatten zu führen, bevor die Rechten den gesamten Diskussionsraum für sich vereinnahmen. Stocks Buch lädt uns auf besonnene und kluge Weise dazu ein, genau dieses Ziel ins Visier nehmen – und es zeigt, dass es sehr wohl möglich ist, empathisch gegenüber Minderheiten zu sein und gleichzeitig haltlose Argumente und Praktiken, die Schaden anrichten, zu entlarven.»
Zitate aus «Material Girls» von Kathleen Stock
☛ «Ich bin entsetzt darüber, was in gewissen Subkulturen, aber auch in der Politik geschieht – Frauenrechte werden vollständig ausgehöhlt, an Kindern wird herumgepfuscht, und das besorgt mich wirklich. Der wesentliche Impetus, all dies zu verändern, kommt von ausseruniversitären Basisbewegungen. Von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen, spornen die Hochschulen selbst nur an. Genderkritische Feministinnen müssen schlichtweg die Stellung halten, was Fakten bezüglich Biologie und deren soziale Implikationen in der Welt anbelangt, was sexuelle Gewalt betrifft, was Homosexualität angeht, und so weiter…..Es geht im Grunde genommen darum, ausdrücklich Position für die materielle Wirklichkeit zu beziehen, und daran ist solange festzuhalten, bis diese Gefahr abflaut.» (Seite 347)
Kommentar: Dass «an Kindern…herumgepfuscht» wird, dafür bietet der Skandal um die Travistock-Klinik ein eindrückliches Beispiel. Siehe dazu:
SCHLUSS FÜR TRANS-KLINK IN ENGLAND Kritiker wurden laut Gutachten sofort als transphob gebrandmarkt (Schwulissimo)
Stock kritisiert zudem zu Recht, dass diese Theorien wesentliche Fakten ignorieren.
☛ In der Einleitung zum Buch schreibt Kathleen Stock:
«In diesem Buch geht es um Geschlecht und diese mysteriöse Sache, die als Gender bekannt ist. Es handelt davon, wie im ersten Viertel des 21. Jahrhunderts – recht überraschend – eine philosophische Theorie über etwas namens gender identity, ‘Geschlechtsidentität’, das öffentliche Bewusstsein ergriff, die britischen und internationalen Institutionen erheblich beeinflusste sowie Proteste und sogar Gewalt hervorrief…..
Transmenschen verdienen ein Leben ohne Angst. Sie verdienen Gesetze und politische Massnahmen, die sie angemessen vor Diskriminierung und Gewalt schützen. Ich werde jedoch argumentieren, dass Gesetze und politische Massnahmen, die auf Geschlechtsidentität basieren, nicht der richtige Weg sind.» (Seiten 7/17)
Zur Theorie der Geschlechtsidentität
☛ Kathleen Stock stellt vier Axiome des modernen Transaktivismus vor und prüft sie sowie die damit verbundene «Theorie der Geschlechtsidentität» aus verschiedenen Perspektiven.
Die vier Axiome fasst Stock so zusammen:
«1. Sie und ich sowie alle anderen weisen einen wichtigen inneren Zustand auf, der sich Geschlechtsidentität nennt.
2. Bei manchen Menschen stimmt die innere Geschlechtsidentität nicht mit dem biologischen Geschlecht – männlich oder weiblich – überein, das ihnen ursprünglich bei der Geburt von Medizinern zugewiesen wurde. Das sind Transmenschen.
3. Nicht das biologische Geschlecht, sondern Ihre Geschlechtsidentität macht Sie zu einem Mann oder zu einer Frau (oder zu keinem von beiden).
4. Die Existenz von Transmenschen verpflichtet uns alle moralisch dazu, nicht das biologische Geschlecht, sondern Geschlechtsidentität anzuerkennen und rechtliche zu schützen.» (Seite 19)
Mit diesen Axiomen des modernen Transaktivismus setzt sich Kathleen Stock in ihrem Buch kritisch und sorgfältig auseinander. Sie bietet damit einen guten Einblick in die Diskussionen um Transaktivismus und die damit verbundenen Fragen rund um Geschlechtsidentität, das biologische Geschlecht und die verschiedenen Konzepte des sozialen Geschlechts (gender).
Quellen:
«Material Girls – Warum die Wirklichkeit für den Feminismus unerlässlich ist», von Kathleen Stock, Edition Thiamat 2022.
Beitrag zu Kathleen Stock auf Wikipedia.
„Voller Empathie und Mitgefühl“ – Buchbesprechung von «Material Girls» im IPG-Journal durch die Politikwissenschaftlerin Eszter Kováts.