In ihrem Buch «Die neue Schweigespirale» beschreibt die Politikwissenschaftlerin Ulrike Ackermann «Wie die Politisierung der Wissenschaft unsere Freiheit einschränkt». Es geht um die Fallstricke der Identitätspolitik und um Angriffe auf die Wissenschaftsfreiheit.
Der Verlag schreibt zum Buch:
«Wie weit geht Cancel Culture an deutschen Universitäten? Sind Meinungsvielfalt und Pluralismus in Forschung und Lehre nicht längst in Bedrängnis geraten? Wie beeinflussen identitätspolitischer Aktivismus und die Neudefinition von Formen der Diskriminierung und des Rassismus unsere Gesellschaft?
Die Soziologin und Politikwissenschaftlerin Ulrike Ackermann warnt eindringlich vor den Folgen einer Entwicklung, die bereits heute die Grenzen des Sagbaren zu verschieben droht. Mit kritischem Blick analysiert sie die Forderungen aus dem Umfeld von Gender Studies oder der Critical Race Theory und spürt den historischen Wurzeln der zunehmenden Politisierung innerhalb der Geistes- und Sozialwissenschaften nach.
Schöne neue Identitätspolitik? Plädoyer für Wissenschaftsfreiheit und offene Gesellschaft
Die Verflechtungen von Wissenschaft und Politik: Ursprünge einer unheiligen Allianz
Eine Gesellschaft unter Druck: Political Correctness und die Meinungsfreiheit
Zeitgeschichtliche Analyse: Ursachen für die Spaltung der Gesellschaft
Mit zahlreichen Fallbeispielen von erschreckender Aktualität….
Nicht nur im Wissenschaftsbetrieb ist die freie Meinungsäußerung inzwischen unter Beschuss geraten. Mitten in der Öffentlichkeit zeichnet sich ein Kulturkampf ab, der in den USA bereits seinen Beitrag zur Spaltung der Gesellschaft geleistet hat. Ackermann liefert zahlreiche Beispiele, von unliebsamen Referenten, die kurzfristig ausgeladen wurden, von politischen Akteuren, die sich der Macht des Shitstorms beugen. Die sogenannte Woke Culture betrachtet sie als latente Gefahr für freien Diskurs und die pluralistische Demokratie. Unsere Freiheiten werden von außen und innen bedroht. Deshalb brauchen wir einen neuen antitotalitären Konsens.
Wie sehr schaden die Trends der Identitätspolitik unserer Wissenschaftsfreiheit? Ulrike Ackermann hat ein mutiges Buch verfasst, das den Weg zurück in eine offene Gesellschaft ebnen möchte.»
Ulrike Ackermann gelingt es, eine präzise und verständlich geschriebene Einführung in diese brisante Thematik zu geben.
Zitate aus dem Buch «Die neue Schweigespirale» von Ulrike Ackermann
Alrike Ackermann bring auf den Punkt, dass es Identitätspolitik von rechts, von links und aus der islamistischen Sphäre gibt:
«Die Identitätspolitik von rechts strebt ein ethnisch homogenes Volk an, jene vonseiten des politischen Islams führt den Kampf gegen den ungläubigen Westen, und die von links kämpft gegen die weisse, patriarchale, kolonialistische Tätergesellschaft. Alle drei attackieren die freiheitlichen Errungenschaften der Moderne, die Aufklärung und den Universalismus der Menschenrechte und sind militant antiliberal.» (Seite 10)
In diesem Zitat spricht Ulrike Ackermann die religiösen bzw. pseudoreligiösen Aspekte linker Identitätspolitik an:
«Anfangs ging es um Sichtbarmachung von Diskriminierung und Benachteiligung bestimmter Gruppen und Personen, um soziale Gerechtigkeit, Partizipation, Respekt und Anerkennung für alle in der Gesellschaft. Es war gut gemeint und dringend notwendig, auf Ungleichbehandlungen und Gerechtigkeitslücken aufmerksam zu machen und dies zu ändern. Doch es mündete in einer erschreckenden Masslosigkeit. Über die Jahre ist eine Opferkultur und zugleich eine Opferkonkurrenz entstanden, die gerade nicht die beschworene Selbstermächtigung von Individuen im Fokus hat, sondern jedes Leid und jede Ungleichheit aus der Perspektive der realen oder vermeintlichen Diskriminierung einzelner Gruppen durch die weisse, patriarchale, kapitalistische, mit kolonialer Schuld beladene «Mehrheitsgesellschaft» sieht. Auf der Agenda der Aktivisten steht es daher, der Bevölkerung diesen unerhörten Zustand bewusst zu machen und in verhaltenstherapeutischer Manier läuternd auf sie einzuwirken, sie quasi umzuerziehen. Dies ist die Woke-Kultur, die in den amerikanischen Universitäten, im Kulturbetrieb und in der Linken ihren Ursprung hat. Sie breitet sich auch bei uns immer weiter aus und gleicht inzwischen einer Art Erweckungsbewegung, wie wir sie von den Evangelikalen kennen. Auch wenn wir über Jahrhunderte einen erfolgreichen Säkularisierungsprozess durchlaufen haben, schützt uns dies offensichtlich nicht vor dem Rückfall in vormoderne Denk- und Glaubenstraditionen. Der Wunsch nach Heil, nach Erlösung, nach Reinigung und Sühne ist denn auch in modernen, post- oder spätmodernen Zeiten nicht zu tilgen……
Die Woke-Cultur mit ihrer Neigung zu Sprachmagie, Läuterungs- und Erweckungsprozeduren trägt tatsächlich religiöse Züge.» (Seite 52/53)
Und in diesem Zitat beschreibt Ulrike Ackermann den Angriff der Identitätspolitik auf die liberale Demokratie und den Universalismus der Menschenrechte:
«Was die Varianten der Identitätspolitik eint, ist ihre radikale Kritik an der westlichen Moderne und deren freiheitlichen Errungenschaften. Dem Universalismus der Aufklärung setzen sie den Partikularismus und die Relativierung der Kulturen beziehungsweise den Ethnopluralismus entgegen. Anstelle einer Wertschätzung des Individuums wird das Kollektiv gefeiert. Die westlich-liberale Zivilisationsgeschichte sehen sie nicht als Erfolg, sondern als Desaster an. Sie alle verbindet ein zutiefst anti-westliches Ressentiment und der Hass auf den Liberalismus. Und dies gerade in einer Zeit, in der weltweit Demokratie und Freiheit unter immer grösseren Druck geraten. Neoimperiale Grossmächte wie Russland und China treiben den Westen seit Jahren in die Enge, attackieren – wie auch der politische Islam – unsere freiheitliche Lebensweise und destabilisieren unsere Demokratie. Der Jahrzehnte lang verharmloste Diktator Vladimir Putin begeht nun in der Ukraine Kriegsverbrechen und droht uns mit Atomwaffen. Putin-Verehrer hatten wir schon lange an den rechten und linken Rändern, Putin-Versteher und Verharmloser seiner Diktatur sowie des kommunistischen Regimes der Sowjetunion im linksliberalen Lager bis weit in die politische Mitte. Obwohl Putins Chefideologe Alexander Dugin bereits 2015 den ‘Dschihad gegen den westlichen Liberalismus’ ausgerufen hatte. Die Warner blieben lange Zeit marginalisiert. Umso paradoxer ist es, wenn die freiheitlichen Werte und Errungenschaften der westlichen Zivilisation, Rechtsstaat, repräsentative Demokratie, die Wertschätzung des Individuums, Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit nicht nur von aussen, sondern auch innerhalb unserer liberalen Demokratie und offenen Gesellschaft radikal infrage gestellt werden – nicht von der Mehrheit, aber von selbstbewussten, minoritären Gruppen.
Solch westlicher Selbsthass ist nicht nur dekadent, sondern brandgefährlich und selbstzerstörerisch. Die Identitätspolitiken sind kollektivistisch und separatistisch zugleich, sie spalten, polarisieren und attackieren unsere liberale Gesellschaftsordnung.» (Seite 156/157)
Wer ist Ulrike Ackermann?
Ulrike Ackermann gründete 2009 das John Stuart Mill Institut für Freiheitsforschung, das sie seitdem leitet. 2008 wurde die Politikwissenschaftlerin und Soziologin als Professorin berufen und lehrte bis 2014 Politische Wissenschaften mit dem Schwerpunkt »Freiheitsforschung und Freiheitslehre« in Heidelberg. Im Jahr 2002 gründete und leitete sie das Europäische Forum an der Berlin Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Darüber hinaus arbeitet Ulrike Ackermann seit vielen Jahren als freie Autorin für Funk und Print.
Quelle:
„Die neue Schweigespirale: Wie die Politisierung der Wissenschaft unsere Freiheit einschränkt“, von Ulrike Ackermann, wbgTheiss Verlag 2022.
Die neue Schweigespirale: Wie die Politisierung der Wissenschaft unsere Gesellschaft spaltet (Vortrag von Ulrike Ackermann):
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