Yascha Mounk hat ein sehr informatives und lesenswertes Buch geschrieben mit dem Titel: „Der Zerfall der Demokratie – Wie der Populismus den Rechtsstaat bedroht“ (Droemer TB 2019).
Yascha Mounk ist Politikwissenschaftler und Associate Professor an der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore. Er zeigt in diesem Buch auf, wie liberale Demokratien zunehmend gefährdet werden. Die Lektüre ist allen Politikerinnen und Politikern zu empfehlen, aber natürlich auch allen Bürgerinnen und Bürgern, die besser verstehen wollen, was es braucht, damit unsere politischen Systeme stabil bleiben.
Der Verlag schreibt zum Buch von Yascha Mounk:
«Die Demokratie droht zu sterben. Politik-Verweigerung und rechts-populistische Parteien wie AfD, FPÖ, Lega und Front National untergraben stabile Regierungen. Der Havard-Politologe Yascha Mounk legt in diesem politischen Sachbuch Gründe und Mechanismen offen, die westliche liberale Rechtsstaaten – so auch die USA unter Donald Trump – erodieren lassen.
Die Demokratie steckt weltweit in einer tiefen Krise. Die Zahl der Protest-Wähler steigt, Populisten erstarken, traditionelle Parteien-Systeme kollabieren. Der renommierte Politologe Yascha Mounk untersucht diesen alarmierenden Zustand, der zwei Muster erkennen lässt: Entweder werden wie in den USA, Ungarn, Polen und der Türkei Demagogen ins Amt gewählt, die die Rechte von Minderheiten mit Füßen treten, oder eine Regierung verschanzt sich, freiheitliche Rechte garantierend, hinter technokratischen Entscheidungen – und verliert wie in Deutschland, Großbritannien und Frankreich zunehmend an Volksnähe.
Klar und deutlich erklärt Mounk die komplexen Gründe und Mechanismen, die den Populismus befeuern und die Demokratie zu Fall bringen können. Er benennt Maßnahmen, um bedrohte soziale und politische Werte für die Zukunft zu retten. Dazu gehört, eine breite Koalition gegen Populisten aufzubauen, die Unabhängigkeit der Justiz und Presse zu verteidigen, die Teilhabe der Bevölkerung an politischen Prozessen zu stärken, die soziale Ungleichheit zu bekämpfen – und vor allem die persönliche Komfortzone zu verlassen, um sich im Sinne der Demokratie politisch zu engagieren.
Eine brillante und aufrüttelnde Analyse unserer politisch aufgeheizten Gegenwart.»
Zitate aus dem Buch von Yascha Mounk
Yascha Mounk beschreibt, wie liberale Demokratien auf zwei verschiedene Weisen ausgehöhlt werden können:
«Erstens können Demokratien illiberal werden. Das geschieht zum Beispiel, wenn der Wille des Volkes zwar die Politik antreibt – die Regierung aber die Rechte von ungeliebten Minderheiten beschneidet oder die Unabhängigkeit von Gerichten und anderen liberalen Institutionen untergräbt. Zweitens können Staaten, obwohl sie regelmässig freie und faire Wahlen abhalten, undemokratisch werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das politische System die Elite so stark begünstigt, dass der Wille des Volkes kaum mehr Einfluss auf politische Entscheidungen hat….
Die liberale Demokratie – die einzigartige Mischung aus Menschenrechten und Volksherrschaft, die jahrzehntelang weite Teile Nordamerikas und Westeuropas kennzeichnete – gerät immer stärker aus den Fugen. An ihre Stelle treten zwei neue Regierungsformen: die illiberale Demokratie, auch als Demokratie ohne Recht zu verstehen, und der undemokratische Liberalismus, auch als Recht ohne Demokratie zu verstehen. Wenn die Historiker einmal die Geschichte des 21. Jahrhunderts schreiben werden, könnten sie den Zerfall der liberalen Demokratie in diese beiden Grundkomponenten in den Mittelpunkt stellen.» (Seiten 38/39)
Yascha Mounk geht auch darauf ein, wie an Universitäten das Vertrauen in Demokratie und Aufklärung unterminiert wird. Er beschreibt dabei zentrale Aspekte der Identitätspolitik:
«Es würde selbstverständlich zu kurz greifen, zu behaupten, dass es dem amerikanischen Bildungssystem gänzlich an politischem Eifer mangele. Schliesslich beherbergt fast jeder Collegecampus nach wie vor einige Pädagogen, die sich intensiv ihrer ideologischen Mission widmen. Besonders in den Geisteswissenschaften und den stärker politisierten Sozialwissenschaften hoffen viele Professoren, bei ihren Studenten einen echten Gesinnungswandel herbeizuführen. Sie verfolgen jedoch keineswegs das Ziel, die wertvollsten Aspekte unseres politischen Systems zu bewahren, sondern zielen fast ausschliesslich darauf ab, den Studenten die Augen für die vielfältigen Ungerechtigkeiten und Heucheleien des Systems zu öffnen.
Dieser Grundreflex nimmt in unterschiedlichen Fachbereichen unterschiedliche Formen an. Im Literaturstudium werden die Werte der Aufklärung dekonstruiert, um sie als rassistisch, kolonialistisch oder heteronormativ zu entlarven. Im Geschichtsunterricht wird der politische Fortschritt als Lügengebilde dargestellt und stattdessen betont, in welchem Masse die liberale Demokratie schon immer enorme Ungerechtigkeit verursacht habe. Und in der Soziologie konzentriert man sich auf die schlimmsten Auswüchse von Armut und Ungleichheit, um aufzuzeigen, wie sehr Diskriminierung das Wesen der heutigen Gesellschaft bestimmt.
Jeder dieser Ansätze birgt wichtige Erkenntnisse. Und doch bewirken sie in ihrer Gesamtheit, dass viele Studenten die Verachtung unserer ererbten politischen Institutionen als Kennzeichen ihrer intellektuellen Reife deuten.» (Seiten 281/282)
Yascha Mounk schildert dann das Dilemma einer Studentin, die sich hin- und hergerissen fühlt: Einerseits weiss sie, dass die Demokratie eine Schöpfung des 18. Jahrhunderts ist – und nur funktionieren kann, wenn sie auf den Werten der Aufklärung basiert. Andererseits hat sie jedoch gelernt, dass sich die Werte der Aufklärung als grausam und irreführend herausgestellt hätten. Yascha Mounk schreibt zum Dilemma dieser Studentin:
«Sollte sie also der Aufklärung, trotz allem, was sie an der Uni gelernt hatte, doch eine grössere Wertschätzung entgegenbringen – oder sollte sie die positive Meinung zur Demokratie, mit der sie aufgewachsen war, revidieren?»
Yascha Mounk stimmt zu, dass die Studentin vor einem echten Konflikt steht:
«Sie hat letztlich vollkommen recht, dass wir uns entweder für die Demokratie und für die Aufklärung oder gegen die Aufklärung und gegen die Demokratie entscheiden müssen.» (Seite 282)
Yascha Mounk hoffte, dass die Studentin schliesslich den grossen Wert der Intellektuellen Tradition erkennen würde, die den Aufstieg der liberalen Demokratie beförderte. Im Verlauf des Semesters gewann Mounk jedoch immer mehr den Eindruck, dass sie den entgegengesetzten Weg einschlug:
«Anstatt ihre Ablehnung der Aufklärung zu überdenken, verlor sie immer mehr den Glauben an die Demokratie.» (Seite 283)
Quelle:
Ergänzend:
☛ Ebenfalls interessant zu diesem Thema ist folgendes Buch:
„Wie Demokratien sterben“, von Steven Levitzky und Daniel Ziblatt, Pantheon Verlag 2019.
☛ Und hier zum Thema «Was ist Populismus?» die Zusammenfassung des gleichnamigen Buches von Jan-Werner Müller: