Die «NZZ am Sonntag» (22. Oktober 2023) lässt einen Lehrer aus Berlin-Neukölln zu Wort kommen, der nach der brutalen Hamas-Terrorattacke in Israel vom 7. Oktober 2023 mit seiner 9. Klasse vor besonderen Herausforderungen steht. Seinen Namen möchte der Lehrer aus Sicherheitsgründen nicht nennen. An seiner Schule beträgt der Migrantenanteil 90 Prozent. Besonders schwierig ist für ihn, dass muslimischer Antisemitismus und die antisemitische Linke Hand in Hand gehen. Zitat:
«Für mich als Lehrer besonders schwierig ist die antisemitische Linke. Wenn unsere Schüler auf den Antisemitismus von Herkunftsdeutschen treffen – so wie es diese Woche der Fall war -, ist das eine unfassbare Bestärkung ihrer einseitigen Sichtweise. Das macht meine Arbeit richtig schwer.»
Der Lehrer beschreibt, wie er mit antisemitischen Äusserungen in der Klasse umgeht:
«Wenn in der Klasse antisemitische Äusserungen fallen, ist es schlauer, Fragen zu stellen, als Thesen in den Raum zu werfen. Wer fragt, der führt. Mit Fragen kann man die Schüler zum Nachdenken bringen, ohne sie in eine Rechtfertigungsposition zu drängen. Den Mund zu verbieten, ist hingegen unklug. Es stärkt nur das Vorurteil, von arabischer Seite könne man in Deutschland nicht sagen, was man wolle. Wenn wir nicht auf das Gesprächsbedürfnis der Schüler eingehen, macht es niemand:»
Die antisemitische Linke ist so sichtbar wie wohl nie zuvor
Dieser Lehrer scheint trotz der grossen Herausforderungen einen Weg gefunden zu haben, mit den schwierigen Herausforderungen umzugehen. Was er über die antisemitische Linke sagt, muss aber aufhorchen lassen. Natürlich sind nicht einfach «die Linken» pauschal antisemitisch. Es gibt jedoch einen Teil der Linken, der stark von Identitätspolitik geprägt ist, und in dieser Szene ist Antisemitismus nicht weit. Das Schweigen dieser Szene zum brutalen Hamas-Terroranschlag oder das Herumdrucksen und Relativieren ist schockierend. Der Terroranschlag hat diese bisher unterbelichtete antisemitische Linke sichtbar gemacht wie wohl kein Ereignis zuvor. Als Gesellschaft müssen wir an diesem Punkt genau hinschauen und klären, wie es zu dieser Entwicklung kommen konnte. Eine wichtige Rolle dürften dabei fragwürdige identitätspolitische Theorien spielen, die seit vielen Jahren an Universitäten gelehrt werden (zum Beispiel postkoloniale Theorien).
Siehe dazu:
☛ Wie Antiimperialismus zu Antisemitismus führt
☛ Buchtipp: «Judenhass Underground – Antisemitismus in emanzipatorischen Subkulturen und Bewegungen», von Nicholas Potter und Stefan Lauer (Hrsg.), Hentrich & Hentrich Verlag 2023.
☛ Zur Identitätspolitik: