Der Tages-Anzeiger veröffentlichte ein durchaus lesenswertes Portrait von Lisa Mazzone, der Präsidentin der Grünen Partei in der Schweiz. Darin äussert sich Lisa Mazzone in einem Nebensatz auch zur «Woke-Debatte»:
«Alleine die Woke-Debatte – eine Erfindung rechter Kreise, um von der Gleichstellung und Diskriminierungen abzulenken. Das Feindbild sind wir: jung, weiblich, grün».
Lisa Mazzone steht mit dieser Haltung nicht allein da. Sie findet sich verbreitet bei den Grünen und in der SP. Es ist eine Haltung, die es sich sehr einfach macht, weil sie Kritik unbesehen als «rechts» labelt. Damit müssen Einwände offenbar nicht mehr ernst genommen werden.
Das ist aus mindestens zwei Gründen fragwürdig:
- Nur weil ein Thema auch von «Rechts» bespielt wird, heisst das nicht, dass jede Kritik an diesem Thema automatisch irrelevant wird. Und es gibt durchaus fundierte Kritik an Wokeness oder anders ausgedrückt, an linker Identitätspolitik.
- Kritik am «Wokeness-Thema» gibt es auch von «Links».
Es ist sehr schade, dass Lisa Mazzone diese Punkte offenbar ausblendet.
Das Zitat von Lisa Mazzone wirft viele Fragen auf
Der Begriff «Woke» ist natürlich schwammig, aber es wäre wichtig, bei diesem Thema konkrete Fragen an Lisa Mazzone zu stellen – und generell an die Grünen und an die SP. Die Autorin des Portraits im Tages-Anzeiger unterlässt es an diesem Punkt leider, genauer nachzuhaken.
«Woke» ist nicht einfach «eine Erfindung rechter Kreise». Die dahinter stehende Ideologie wirft zahlreiche Fragen auf:
☛ Die mit Wokenesss / Identitätspolitik verbundenen Theorien haben das Potenzial, Demokratie und Wissenschaft zu unterminieren. Siehe dazu:
Identitätspolitik als Gift für die Demokratie
Identitätspolitik unterminiert Wissenschaft
Identitätspolitik unterminiert Demokratie und Rechtsstaat
☛ Die mit Wokeness / Identitätspolitik verbundenen Theorien zeigen viele Gemeinsamkeiten mit Religion. Siehe dazu:
Was Identitätspolitik mit Religion verbindet
☛ Fundierte Kritik an den mit Wokeness / Identitätspolitik verbunden Theorien formulieren zum Beispiel Helen Pluckrose und James Lindsay in ihrem Buch «Zynische Theorien – Wie aktivistische Wissenschaft Race, Gender und Identität über alles stellt – und warum das niemandem nützt».
☛ Kritik an «Wokeness» / Identitätspolitik von links formulieren zum Beispiel:
Bernd Stegemann in seinem Buch «Identitätspolitik».
Susan Neiman in ihrem Buch «Links ≠ woke».
☛ «Wokeness» / Identitätspolitik dominiert inzwischen weite Teile der Grünen und der SP. Linke Parteien vertraten über lange Zeiten einen entschiedenen Universalismus. Die identitätspolitisch aufgeladenen Teile der Linken entfernen sich zunehmend von diesen Wurzeln und verraten damit auch die Grundwerte der Aufklärung.
Siehe dazu:
Identitätspolitik versus Universalismus
Universalistisch aufgestellte Linke – sofern es sie noch gibt – sollten sich gegen diese Entwicklung wehren. Wenn Lisa Mazzone im Portrait des Tages-Anzeigers die «Woke-Debatte» als «Erfindung rechter Kreise» abtut, dann zeigt das, wie stark sie von diesem identitätspolitischen Denken geprägt ist. Bei der Auseinandersetzung über diese problematischen Entwicklungen geht es aber natürlich nicht um Lisa Mazzone. Dieses von ihr so salopp vom Tisch gewischte Thema ist existenziell für die ganze Linke. Und mit ihrer zunehmenden Fixierung auf Identitätspolitik fördern Linke und Grüne leider auch den Zulauf für den Rechtspopulismus. Das ist sehr zu bedauern, den Linke und Grüne haben in ihrer ursprünglichen Fassung durchaus respektable Anliegen.
Quelle des Zitats:
Lisa Mazzone im Porträt: «Die Politik ist mein Leben. Aber manchmal ist sie auch ein Korsett»
(Tages-Anzeiger, Abo)