Im Online-Magazin «Republik» publizierten Patricia Purtschert, Barbara Lüthi und Francesca Falk einen Text zur Verteidigung des Postkolonialismus, der nach weltweiten antisemitischen Uni-Besetzungen in der Kritik steht.
Das Beste an dem Artikel ist wohl, dass die Autorinnen die Kritik am Postkolonialismus zusammenfassen:
«Zentral ist dabei die Behauptung, postkoloniale Forschung hantiere mit unzureichenden und gefährlich vereinfachenden Analysekategorien. Diese Kritik wird in Bezug auf die Verhältnisse in Israel und Palästina geäussert. Sie wird aber zugleich generell auf postkoloniale Studien bezogen.
Der Postkolonialismus fördere das dichotome Denken, er trenne die Welt schablonenhaft in “Täterinnen“ und “Opfer“. Deshalb stelle postkoloniale Forschung, so heisst es, eine “Ideologie“ dar und keine Wissenschaft.»
Die Autorinnen bringen keine Argumente, die diese Kritik entkräften würden. Sie unterstreichen hauptsächlich, wie wichtig postkoloniale Studien sind.
Weiter schreiben die Autorinnen zur Kritik am Postkolonialismus:
«Ein besonders gravierender Vorwurf, der gegenwärtig an die postkolonialen Studien gerichtet wird, besagt, sie seien antisemitisch oder würden antisemitischem Denken Vorschub leisten. Weil der Postkolonialismus angeblich in einer Entweder-oder-Logik verhaftet sei, schlage er Jüdinnen unkritisch auf die Seite von Weissen und damit der “Täter“.»
Ja, diese Kritik am Postkolonialismus ist gravierend und die Autorinnen widerlegen sie nicht. Eine selbstkritische Reflektion sucht man in dem Beitrag vergebens.
Die Angriffe auf die postkoloniale Forschung seien unredlich und folgten einem rechtskonservativen Aktivismus, schreiben die drei renommierten postkolonialen Forscherinnen aus der Schweiz.
Quelle:
Der Aufbruch zu einer gemeinsamen Gegenwart (Republik)
Anmerkungen zur Kritik am Postkolonialismus
Die Autorinnen machen es sich sehr einfach, wenn sie die Angriffe auf die «postkoloniale Forschung» einfach als «unredlich» diffamieren und auf einen «rechts-konservativen Aktivismus» zurückführen. Kritik an Wokeness / Identitätspolitik wird von Vertretern dieser Ideologien gern und rasch als «rechts» diffamiert. Das ist bequem und ersetzt oft die Auseinandersetzung mit Argumenten.
Der Historiker Kijan Espahangizi kommentiert den Republik-Artikel auf Twitter/X so:
„Wer die interessanten Erkenntnisse postkolonialen Denkens, die es auch zur Schweiz gibt, retten und entwickeln will, muss selbstkritisch über die Bücher. Kritik etwa inhärenten Okzidentalismus als rechts abzutun, macht dasselbe wie Rechte, nur anders herum.“
Quelle: https://twitter.com/KEspahangizi/status/1790490912914657459
Und weiter:
„Dass führende Vertreter:innen postkolonialer Studien das nicht hinkriegen, spricht Bände und ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die eh nichts davon hören wollten. Dabei ist harte Kritik der eigenen Perspektive wissenschaftliches Grundhandwerk, dachte ich.“
Quelle:
dass führende Vertreter:innen postkolonialer Studien das nicht hinkriegen, spricht Bände und ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die eh nichts davon hören wollten. Dabei ist harte Kritik der eigenen Perspektive wissenschafliches Grundhandwerk, dachte ich.
— Kijan Espahangizi (@KEspahangizi) May 14, 2024
Und weiter:
„Wenn der ‚Aufbruch in die gemeinsame Gegenwart‘ nicht nur für die eigene Bubble gelten soll, wäre es sinnvoll, sich mal selbst mutig aus der eigenen Ecke raus zu wagen…“
Quelle: https://twitter.com/KEspahangizi/status/1790495937518829872
Es gibt auch fundierte Kritik von Links am Postkolonialismus. Zum Beispiel:
☛ «Postkolonialismus und Antisemitismus», von Ingo Elbe (28.11 Minuten):
☛ Historikerstreit 2.0 – taz Talk mit Lars Rensmann und Ingo Elbe (Postkoloniale Theorien in der Kritik):
☛ Vortrag von Julian Bierwirth am 11. Dezember 2023:
Der blinde Fleck. Warum die traditionelle und postkoloniale Linke Antisemitismus so schwer erkennt.
☛ Postkolonial gegen Israel (Text von Ingo Elbe):
https://www.mena-watch.com/postkolonial … gKrjPD_BwE
☛ «Antisemitismus und Postkoloniale Theorie – der ‘progressive’ Angriff auf Israel, Judentum und Holocausterinnerung», von Ingo Elbe,Edition TIAMAT 2024.
☛ Siehe auch:
Postkolonialismus als Quelle von Judenhass
Harvard Universität: Postkolonialismus & Antisemitismus Hand-in-Hand
Postkolonialismus auf Abwegen: Begeisterung für Osama Bin Laden
☛ Die grösste Gefahr für wissenschaftliches Denken scheint heute von den Universitäten auszugehen, und zwar von Studienrichtungen, die durch Identitätspolitik geprägt sind, wozu auch weite Bereiche des Postkolonialismus gehören. siehe dazu: