In Deutschland wird heftig über ein angekündigtes «Selbstbestimmungsgesetz» gestritten. Im Mai 2023 hat die deutsche Regierung einen Self-ID-Gesetzesentwurf vorgeschlagen. Der Entwurf eines Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften (Selbstbestimmungsgesetz) sieht vor, dass in Zukunft jede Person einmal jährlich ihren personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrag und ihren Namen ohne weiteren Nachweis, ohne psychologisches Gutachten o.ä. ändern kann. Sie muss zu diesem Zweck nur vor einem Standesbeamten erklären, dass sie das wünscht.
Für Minderjährige soll diese Möglichkeit auch bestehen, und wenn die Eltern nicht einverstanden sind, kann das Familiengericht deren Entscheidung ersetzen und im schlimmsten Fall sogar das Sorgerecht entziehen.
Die EUROPÄISCHE GESELLSCHAFT FÜR GESCHLECHTERGERECHTIGKEIT (EGG) lehnt diesen Gesetzesentwurf ab und verlangt, dass das biologische Geschlecht eine rechtliche Größe bleiben muss und nicht durch eine einfache Willensentscheidung abgeändert werden kann.
Der Gesetzesentwurf sei insofern einzigartig, als erstmals ein Gesetz Rechtsfolgen an subjektive und in keiner Form nachweisbare Kriterien knüpfe:
«Kurz gesagt, weil Mann A sagt, er fühle sich als Frau, wird auf seinen Antrag und nur aufgrund dieser Eigenaussage sein Geschlechtseintrag auf “weiblich” geändert. Wer ihn in der Folge “misgendert”, wer also sein Geburtsgeschlecht oder seine Identität benennt, ist mit einer Strafe bis zu 10.000 Euro bedroht. Das heißt, Privatpersonen zahlen eine Strafe als Konsequenz für das Aussprechen einer objektiven Tatsache, weil diese einer rein subjektiven Eigenwahrnehmung widerspricht. Dies ist im deutschen Recht beispiellos. Auch Schwule und Lesben – denen durch ein Outing erhebliche Konsequenzen drohten, und in bestimmten Kreisen noch drohen – wurden und werden nicht in vergleichbarer Weise geschützt.»
«Selbstbestimmungsgesetz» birgt Risiken für Kinder
Für Kinder und Jugendlich ist es nicht ungewöhnlich, dass sie in bestimmten Phasen mit ihrem Geschlecht hadern.
Das geplante «Selbstbestimmungsgesetz» ebnet den Weg zu vorschnellen und einschneidenden medizinischen Maßnahmen der Geschlechtsangleichung (Hormone, Operationen). Die EGG schreibt:
«Es ist zutiefst unethisch und gefährlich, Kindern und Jugendlichen zu vermitteln, sie gehörten “eigentlich” und “im Inneren” dem anderen Geschlecht an, wenn sie sich nicht so verhalten, wie es die mit ihrem jeweiligen Geschlecht assoziierten Stereotypen vorgeben. Auch sollte ihnen nicht vermittelt werden, dass “Geschlecht” eine nach Belieben veränderbare Kategorie ist. Geschlecht ist unveränderlich. Maximal kosmetische Anpassungen sind möglich. Kindern und Jugendlichen etwas anderes vorzugaukeln, führt unweigerlich früher oder später in ein unschönes Erwachen, zu Unzufriedenheit oder gar zu psychischen Erkrankungen.»
Die soziale und rechtliche Transition, wie es das «Selbstbestimmungsgesetz» vorsieht, stellt nach Ansicht der EGG nachweislich den ersten Schritt auf dem Weg zu medizinischen Maßnahmen der Geschlechtsangleichung (Hormone, Operationen) dar. Die EGG macht eindringlich auf die Konsequenzen aufmerksam:
«Studien zeigen, dass Kinder und Jugendliche, die nicht affirmativ in einer eventuellen “Transidentität” bestärkt werden, sich in den allermeisten Fällen nach der Pubertät zu psychisch und körperlich gesunden, meist lesbischen, schwulen oder bisexuellen Erwachsenen entwickeln…..Dagegen schlagen Kinder und Jugendliche, die in einer eventuellen “Transidentität” affirmiert werden und im Alltag bereits gegengeschlechtlich leben, in den allermeisten Fällen den Weg lebenslanger Hormoneinnahmen und geschlechtsangleichender Operationen ein..»
Wenn staatlicherseits bestätigt ist, dass ein dysphorischer Minderjähriger “eigentlich” und “im Inneren” dem anderen Geschlecht angehört, dann werde dies auch im Gesundheitswesen nicht mehr hinterfragt, befürchtet die EGG..
«Selbstbestimmungsgesetz» birgt Risiken für Frauen
Die Eliminierung biologischer Tatsachen, wie das «Selbstbestimmungsgesetz» es vorsieht, birgt vielfältige und einschneidende Risiken für Frauen. Die EGG erläutert dies auch mit Beispielen aus anderen Ländern.
Beispielsweise:
☛ Die Datensammlung und die statistische Erfassung bei geschlechtsspezifischen Themen kann massiv erschwert werden. So wird die statistische Erfassung von Sexualstraftätern oder Mördern biologisch männlichen Geschlechts als “weiblich” zu verfälschten Kriminalstatistiken führen und die Forschung beeinträchtigen.
☛ Gewalttätige Gefängnisinsassen männlichen Geschlechts wurden bereits in Frauengefängnisse verlegt, nachdem sie sich als Transfrauen identifizierten. Das kann zu Bedrohungssituationen für Insassinnen führen und wegen der gewöhnlich niedrigeren Sicherheitsvorkehrungen in Frauengefängnissen auch Risiken für die Allgemeinheit mit sich bringen.
☛ Gewalt, die im Gesetz als “von einem Mann ausgeübt” definiert ist (beispielsweise
Exhibitionismus, Femizid, geschlechtsspezifische Gewalt, etc.), kann nicht mehr in diesem Sinne geahndet werden, wenn festgenommenen Männer sich als Transfrau identifizieren.
☛ Eltern, die sich gegen die soziale oder medizinische Transition ihrer Kinder wehren oder Bedenken äussern, haben negative Konsequenzen zu befürchten (vom Verlust des Sorgerechts bis hin zu Haftstrafen).
☛ Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen, die sich als exklusiv für biologische Frauen begreifen, also Transfrauen nicht in ihre Beratungsangebote und Betreuungen einschliessen, werden Gelder gestrichen, sie werden zum Schließen gezwungen und terrorisiert. Für Frauen, die Gewalterfahrungen mit Männern durchgemacht haben, kann die Anwesenheit von biologischen Männern in solchen Schutzräumen jedoch hoch problematisch bis traumatisierend sein. Auch in Garderoben und Frauensaunen kommt es zu problematischen Situationen, wenn biologische Männer, die sich als Frauen identifizieren, unbegrenzt Zutritt haben.
☛ Im Sport nehmen biologische Männer als Transfrauen biologischen Frauen nicht nur Partizipations- und Gewinnchancen. In Teamsportarten wie Fussball stellt eine 90 kg schwere Transfrau für eine 65 kg schwere biologische Frau bei Zusammenstössen auch ein erhebliches Verletzungsrisiko dar.
Quelle:
Stellungnahme der EGG zum «Selbstbestimmungsgesetz»
Nachtrag:
☛ Die Eliminierung von biologischen Fakten aus dem Recht, wie es das «Selbstbestimmungsgesetz» vorsieht, hat weitreichende Folgen für Demokratie und Gesellschaft. Die Unter-Strafe-Stellung des Aussprechens biologischer Fakten ist ein verstörendes Ansinnen, das an totalitäre oder theokratische Regime erinnert.
☛ Die Bestrebungen zur Einführung dieses Selbstbestimmungsgesetzes finden auf der Basis einer Identitätspolitik statt, die ihrerseits zersetzend auf Demokratie und Wissenschaft wirkt. Siehe dazu:
Buchtipp: Francis Fukuyama: Identität – Wie der Verlust der Würde unsere Demokratie gefährdet
Identitätspolitik – die Gemeinsamkeiten mit Verschwörungstheorien
☛ Während das angekündigte «Selbstbestimmungsgesetz» in Deutschland kontrovers debattiert wird, ist eine ähnliche Möglichkeit zum rechtlichen Geschlechtswechsel durch einfache Erklärung auf dem Zivilstandsamt in der Schweiz vom Parlament weitgehend im Stillen eingeführt worden. Die fehlende öffentliche Debatte über die weitreichenden Konsequenzen dieser Änderung ist sehr bemerkenswert und sollte aufgearbeitet werden.