In der Schweiz ist der langjährige Bundeskanzler Walter Thurnherr zurückgetreten. Der Bundeskanzler ist in der Eidgenossenschaft der Stabschef des Bundesrates (Exekutive) und übernimmt diverse Aufgaben für den Bundesrat. Die Funktion dieses Amtes in der Schweiz unterscheidet sich also fundamental von derjenigen des deutschen Bundeskanzlers.
Trotzdem ist der Bundeskanzler in der Schweiz wichtig. Er wird manchmal auch der 8. Bundesrat genannt.
Walter Thurnherr hat in seiner Abschiedsrede vor dem Parlament auf zentrale Werte der Demokratie hingewiesen:
«Meine Beobachtung gilt unserer direkten Demokratie. Denn in der Bundeskanzlei, die für die politischen Rechte zuständig ist, ist mir mehr als einmal bewusst geworden, wie wichtig die Voraussetzungen sind, damit unser politisches System mit seinen Initiativen, Referenden, Wahlen und Abstimmungen überhaupt funktionieren kann. Ich denke dabei nicht in erster Linie an Gesetze und Verordnungen, sondern an ein Grundverständnis unserer politischen Ordnung, an Errungenschaften wie den sozialen Ausgleich zwischen reich und arm, den Föderalismus, die Medienvielfalt und die politische Meinungsbildung, den Respekt vor der Gewaltenteilung, den Minderheitenschutz, die politische Kultur, den Sprachenfrieden und die wirtschaftliche Entwicklung. Wenn uns die internationale Entwicklung der vergangenen Jahre etwas gelehrt hat, dann ist es dies: Keine politische Entwicklung ist unumkehrbar. Nichts ist selbstverständlich in der Politik. Keine Demokratie bleibt eine, nur weil sie schon lange eine war. Und natürlich hat alles, worauf wir später betroffen zurückschauen, schon viel früher begonnen, als man dachte, und sicherlich nicht erst dann, als es bereits zu spät war.»
Quelle:
Abschiedsrede von Bundeskanzler Walter Thurnherr an die Vereinigte Bundesversammlung
(Bundeskanzlei, Schweizerische Eidgenossenschaft)
Anmerkung zur Abschiedsrede von Walter Thurnherr:
Der zurücktretende Bundeskanzler Walter Thurnherr weist nachdrücklich darauf hin, dass über Gesetzt und Verordnungen hinaus für das Funktionieren einer Demokratie ein gemeinsames Grundverständnis und geteilte demokratische Werte wichtig sind.
Das unterstreichen auch die Politikwissenschaftler Steven Levitsky und Daniel Ziblatt in ihrem Buch «Wie Demokratien sterben»:
«Selbst gut durchdachte Verfassungen können den Fortbestand der Demokratie nicht allein gewährleisten…..Alle erfolgreichen Demokratien stützen sich auf informelle Regeln, die zwar nicht in der Verfassung festgeschrieben sind, aber weithin bekannt sind und beachtet werden….
…zwei Normen sind für das Funktionieren einer Demokratie besonders wichtig: Gegenseitige Achtung und institutionelle Zurückhaltung.» (Seite 117/119/120)
Quelle:
Steven Levitsky und Daniel Ziblatt, «Wie Demokratien sterben», DVA Verlag 2018.
Walter Thurnherr spricht in seiner Abschiedsrede also einen wichtigen Punkt an.