In seinem sehr lesenswerten Buch «Siedlerkolonialismus – Ideologie, Gewalt und Gerechtigkeit» geht Adam Kirsch der Frage nach, weshalb so viele Dozenten und Studenten amerikanischer Universitäten auf die Nachricht vom Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 mit unverhohlener Begeisterung reagierten. Diese befremdlichen Reaktionen kamen nicht aus heiterem Himmel. Sie basieren auch einer langen ideologischen Vorgeschichte, bei der die «Settler Colonial Studies» als Sprösslinge des Postkolonialismus eine zentrale Rolle spielen. Adam Kirsch zeigt eindrücklich auf, welche aktivistischen und hoch einseitigen Überzeugungen sich unter dem Begriff «Siedlerkolonialismus» an vielen Universitäten der westlichen Demokratien etabliert haben. Er vermittelt eine gut nachvollziehbare kritische Einführung in die Ideologie des Siedlerkolonialismus.
Der Verlag schreibt zum Buch von Adam Kirsch:
«Adam Kirsch beschreibt die wundersame Karriere eines Begriffs, der sich seinen Weg aus den Settler Colonial Studies, einem Sprössling der Postcolonial Studies, in die politische Publizistik gebahnt hat. Geprägt wurde er in Australien und Nordamerika: »Siedler« seien dort auch Nachfahren von Immigranten in der x-ten Generation. Diese radikal progressiv daherkommende Idee hat mit fortschrittlichem Denken allerdings wenig, dafür umso mehr mit deutscher Romantik und englischem Puritanismus zu tun, wie Kirsch zeigt.
Die Absicht, historisches Unrecht wiedergutzumachen, mündet in den Vorsatz, neues Unrecht in der Gegenwart zu legitimieren. Während die Rede von »Siedlerkolonialismus« in Amerika noch plausibel ist, ist sie in Bezug auf Palästina absurd. Das ohnehin fragwürdige Hoheitszeichen der Indigenität können Juden und Araber gleichermaßen reklamieren. Dass der Vorwurf aber gegen Israel umso lauter erhoben wird, hat einen einfachen Grund: Anders als bei den USA gibt es eine realistische Aussicht, Israel von der Landkarte zu streichen und Geschichte rückgängig zu machen.»
Zitat aus dem Buch «Siedlerkolonialismus» von Adam Kirsch:
«Wie anderen radikalen Ideologien kann man auch dieser nur schwer widerstehen, da sie auf einem lobenswerten moralischen Instinkt beruht: der Empörung über Ungerechtigkeit. Die europäische Besiedelung Amerikas zerstörte das Leben und die Kultur von Millionen indigener Menschen, und ihre überlebenden Nachkommen leiden bis heute unter den materiellen und seelischen Folgen. Hunderttausende palästinensischer Araber wurden im israelischen Unabhängigkeitskrieg aus ihren Häusern vertrieben, und die unter israelischer Besatzung lebenden Palästinenser leiden noch heute.
Unglücklicherweise reicht Empörung über vergangenes Unrecht nicht aus, um es wiedergutzumachen. Im Gegenteil, die Geschichte zeigt, dass sie selbst leicht zur Quelle neuer Ungerechtigkeit werden kann. Wenn wir uns die Ideologie des Siedlerkolonialismus näher anschauen, werden wir feststellen, dass sie vielen Irrtümern erliegt, zu denen radikale Ideologien seit jeher neigen. Ganz verschiedene Arten von Unrecht schreibt sie ein und derselben Abstraktion zu und verspricht, die Tötung dieses Drachens werde ihnen allen ein Ende bereiten. Sie kultiviert den Hass auf Menschen und Institutionen, die sie als Hindernisse auf dem Weg zur Erlösung ansieht, und rechtfertigt sogar Gewalt gegen sie. Darüber hinaus befleissigt sie sich einer verzerrten Darstellung der Geschichte, um die Welt leichter in Schuldige und Unschuldige aufteilen zu können.
Solches Denken hat in der Vergangenheit stets katastrophale Folgen gehabt, und die Ideologie des Siedlerkolonialismus führt idealistische, gebildete junge Menschen bereits auf einen ähnlichen Weg. Deshalb ist es dringend notwendig zu verstehen, woher diese Idee kommt und wohin sie wahrscheinlich führen wird.» (Seite 25/26)
Adam Kirsch bietet mit seinem Buch wertvolles Hintergrundwissen zum Israel-Palästina-Konflikt. So wird nachvollziehbar, weshalb Israel für die woke-islamistische Allianz zum Teufel unter den Nationen geworden ist. Und wie es geschehen konnte, dass viele Bereiche westlicher Universitäten von Ideologien dominiert werden.
Quelle:
«Siedlerkolonialismus – Ideologie, Gewalt und Gerechtigkeit», von Adam Kirsch, Edition TIAMAT, 2025.
Ergänzung:
Die «Settler Colonial Studies» sind ein Sprössling des Postkolonialismus, der ebenfalls stark ideologisch geprägt ist. Siehe dazu auch:
Wie Postkolonialismus Antisemitismus fördert und Terror legitimiert