In einem Gastkommentar in der österreichischen Tageszeitung «Der Standard» befasst sich der ehemalige Bildungsminister Heinz Fassmann mit dem Vertrauen der Österreicherinnen und Österreicher in die Wissenschaft. Fassmann ist zurzeit Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und bezieht sich in seinem Beitrag auf Daten des ÖAW-Wissenschaftsbarometers, das 2022 erstmals für Österreich durchgeführt wurde. Die Ergebnisse des Wissenschaftsbarometers zeigen, dass rund ein Drittel der Wissenschaft wenig oder gar nicht vertraut. 42 Prozent der Befragten meinen, die Wirklichkeit schaue anders aus als von der Wissenschaft erklärt, 37 Prozent verlangen, man solle sich lieber auf den gesunden Menschenverstand verlassen als auf wissenschaftliche Studien, und 31 Prozent unterstützen das Statement, wonach das Volk Einfluss auf die Arbeit der Wissenschaft haben soll. 56 Prozent der Befragten nehmen die Wissenschaft als einen Teil der Eliten wahr, die in großer Distanz zur Bevölkerung steht, sich von oben herab ein Erklärungsmonopol anmaßt und an den Sorgen der Menschen vorbei als Selbstzweck vor sich hin forscht.
Skepsis gegenüber der Wissenschaft beeinflusst Demokratie
Heinz Fassmann befürchtet eine Erosion gesellschaftlicher Fundamente und sieht dabei einen Zusammenhang mit der Geringschätzung der Wissenschaften.
«Die Bevölkerungsgruppen, die sich von Wissenschaft und Forschung entfernt haben, verfügen über weniger Bildung, haben eine gewisse Vorliebe für den sogenannten „starken Mann“, sind parteipolitisch eher rechts oder lehnen Parteien grundsätzlich ab. Gerade Letzteres erfüllt mich mit Sorge, denn die generelle Ablehnung aller Parteien führt auch zu einer Erosion unserer gesellschaftlichen Fundamente. Wenn die Repräsentation durch Parteien infrage gestellt wird, die Geringschätzung auch der Wissenschaft gegenüber zu einem allgemeinen kulturellen Habitus wird und sich alle ihre eigenen Wirklichkeiten erzeugen, dann ist die gesellschaftliche Mitte in Gefahr.»
Quelle:
HEINZ FASSMAN:
Skepsis gegenüber der Wissenschaft ist „eh nicht so schlimm“? (Der Standard)
Ergänzungen:
☛ Skepsis und Misstrauen gegenüber den Wissenschaften sind nicht generell abwegig. Es ist aber wichtig, zwischen gesundem Misstrauen und toxischem Misstrauen zu unterscheiden. Siehe dazu:
Über toxische Zweifel und toxisches Misstrauen
☛ Toxisches Misstrauen kann zu Wissenschaftsverweigerung führen und die Basis legen für Verschwörungstheorien. Siehe dazu:
Wissenschaftsverweigerung / Wissenschaftsleugnung