Der Tages-Anzeiger hat ein lesenswertes Interview veröffentlicht mit dem Sicherheitsexperten und Historiker Daniel Möckli, dem der Leiter des Thinktanks des Center for Security Studies (CSS) der ETH Zürich. Im Gespräch geht es um die Verteidigungsfähigkeit Europas, im Speziellen aber auch der Schweiz.
Das Recht des Stärkeren gewinne an Bedeutung, sagt Daniel Möckli Das sei für kleine und mittlere Staaten wie die Schweiz ein Problem: «Machtpolitik und das Feilschen um Deals prägen momentan die Welt.»
Das Völkerrecht gebe es noch und es werde auch oft noch eingehalten, «aber die Grossmächte fühlen sich immer weniger daran gebunden.»
Das wirkt sich stark auf die Sicherheitslage in Europa aus:
«Europa sieht mit Sorge, dass die Sicherheit, die von Amerika ausging, und die Wohlstandsgewinne, die Chinas Aufstieg und die offenen Märkte mit sich brachten, wegbrechen. Europa ist aufs Recht ausgerichtet. Es muss sich deshalb gerade neu erfinden und das unter hohem Zeitdruck, während es gleichzeitig eine gemeinsame Stimme sucht. Europa……muss sich jetzt rasch viele Muskeln zulegen.»
Ohne Muskeln werde Europa mehr Spielfeld als Spieler in der Weltpolitik sein, das sehe man schon heute. Auch die Schweiz müsse deutlich mehr machen für ihre Sicherheit, und zwar schnell.
Die Verteidigungsfähigkeit muss sich rasch verbessern.
Stärkung der Verteidigungsfähigkeit kostet, ist aber alternativlos
Dass Europa «sich jetzt rasch viele Muskeln zulegen» und damit seine Verteidigungsfähigkeit stärken muss, ist für Daniel Möckli alternativlos. Er führt dazu aus:
«Es ist alternativlos. Solange Europa seine Interessen wahren will, muss es den Zusammenschluss forcieren. Die Kosten für die Verteidigungsfähigkeit sind jedoch hoch, man riskiert, den Wohlfahrtsstaat abbauen zu müssen. Derweil wissen wir nicht, wie weit der innenpolitische Wandel in Europa noch geht, siehe AfD in Deutschland oder Le Pens Partei in Frankreich. Europa ist auf einem schmalen Grat unterwegs, entweder wird es stärker, oder es stürzt ins Nationalstaatliche ab, in eine Fragmentierung, die für den ganzen Kontinent verheerend wäre.“
Quelle:
Sicherheitsexperte im Interview»
«Die USA denken Europa neu von Russland her» (Tages-Anzeiger)
Das Interview macht klar, wie dringend die Verstärkung der Verteidigungsfähigkeit ist. Es zeigt aber auch die innenpolitische Gratwanderung, die sich damit verbindet. Entscheidend wird sein, wie die Notwendigkeit dieses militärischen Aufbaus erklärt und begründet wird. Wer mehr Rüstungsgüter anschaffen und mehr Soldaten ausbilden will, wird von gewissen Kreisen rasch als Kriegstreiber diffamiert. Ein Aufbau der Verteidigungsfähigkeit dient aber in erster Linie der Abschreckung und damit der Kriegsvermeidung. Siehe dazu:
Kriegstreiber – ein demagogischer Kampfbegriff
Siehe ausserdem:
► Eurasia – Orwells russisches Europa am Horizont?
► Buchtipp: «Die Rückkehr des Krieges» von Franz-Stefan Gady