Plutokratie ist ein politisches System, in dem die Reichen oder finanzstarke Gruppen das Sagen haben. Sie haben überproportionalen Einfluss auf die politischen Entscheidungen.
Das kollidiert mit grundlegenden Werten der Demokratie, die mit dem Prinzip «eine Person, eine Stimme» danach strebt, die Macht im Staat gleichmässig auf die Bürgerinnen und Bürger zu verteilen. Sie nehmen typischerweise durch Wahlen an politischen Entscheidungen teil. Damit liegt die Macht beim Volk, und es gibt Mechanismen, um die Verantwortlichkeit der gewählten Vertreter zu gewährleisten. Sie können abgewählt oder bei Gesetzesverstössen vor Gericht gestellt werden.
Das Verhältnis zwischen Plutokratie und Demokratie kann komplex sein und in vielen modernen Gesellschaften gibt es Elemente beider Systeme, wobei wirtschaftliche Macht oft einen Einfluss auf politische Entscheidungen hat. Spielt der finanzielle Status einer Person oder Gruppe eine ausschlaggebende Rolle in politischen Prozessen, unterminiert dies demokratische Grundprinzipien von Gleichheit und Gerechtigkeit. Die politische Macht ist dann ungleich verteilt. In einer Demokratie sollen die gewählten Vertreterinnen und Vertreter das Volk repräsentieren, in einer Plutokratie repräsentieren sie dagegen oft die Interessen der Reichen.
Die Wurzeln der Plutokratie gehen bis in die Antike zurück
Der Begriff «Plutokratie» stammt aus der griechischen Sprache, wo «ploutos» für Reichtum und «kratos» für Macht steht. Wörtlich übersetzt bedeutet das «Herrschaft der Reichen».
In antiken Stadtstaaten wie der attischen Demokratie oder der Römischen Republik waren die politischen Rechte (Teilnahme an der Volksversammlung o. Ä.) zu manchen Zeiten an ein bestimmtes Einkommen beziehungsweise an einen Mindestbesitz gebunden.
Auch moderne Demokratien ab der französischen Revolution kannten vorerst kein allgemeines oder gar gleiches Wahlrecht, sondern knüpften dieses an Besitz oder Einkommen/Steuerleistung. Die Bevorzugung der besitzenden Bürger durch das Wahlrecht war bis in das 19. Jahrhundert hinein die Norm und bis zu anfangs des 20. Jahrhunderts nicht ungewöhnlich. Daraus wird ersichtlich, welch grosse Errungenschaft Demokratien sind, die allen Bürgerinnen und Bürgern politische Rechte gleichermassen zugestehen. Wir heute lebenden Menschen nehmen dies oft für selbstverständlich, was es historisch gesehen ganz und gar nicht ist. Sowohl historisch betrachtet als auch im weltweiten Vergleich leben wir in demokratischen Verhältnissen, die eine Seltenheit darstellen.
Plutokratie als Kampfbegriff
Der Begriff «Plutokratie» wurde in seiner Geschichte allerdings auch als Kampfbegriff missbraucht. Im Nationalsozialismus war „Plutokratie“ ein Begriff, der vor allem durch das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda unter Joseph Goebbels oft verwendet wurde, um Grossbritannien und die USA negativ darzustellen und ihnen bösartige Pläne gegen den NS-Staat zu unterstellen. Goebbels setzte dabei in der Propaganda Demokratie und Plutokratie prinzipiell gleich oder stellte die Demokratie als eine Unterform der Plutokratie dar. Er verwendete das Schlagworte „Jüdischer Bolschewismus“ um zu behaupten, die Plutokratien planten einen Pakt gegen Deutschland, der zu einer Unterwerfung Europas unter die Sowjetunion führen werde. Auch Adolf Hitler sprach in seinen Hassreden von der Plutokratie, die er mit dem sogenannten Weltjudentum assoziierte, aber auch mit den angelsächsischen Mächten, die er im Vergleich mit der Sowjetunion für deutlich stärker und gefährlicher hielt. Der Begriff „Plutokratie“ kann also auch deutlich antisemitische Züge annehmen, dass die reichen Juden die bösartigen Weltbeherrscher sind.
In den USA war und ist der Begriff «Plutokratie» heftig umstritten. Er wurde und wird einerseits politisch instrumentalisiert, andererseits zeigen sich in diesem Land unübersehbar plutokratische Entwicklungen.
Elon Musk und Donald Trump – zwei Plutokraten im Anmarsch
In der Gegenwart angelangt, gibt es wohl kaum ein illustrativeres Beispiel für Plutokraten als das Duo Elon Musk und Donald Trump. Elon Musk ist der reichste Mensch der Welt. Er hat für den Wahlkampf Donald Trumps und der Republikaner mindestens 277 Millionen US-Dollar ausgegeben. Im Gegenzug bekommt er ein Regierungsamt und die Nähe zum Präsidenten und kann damit sein geschäftliches Umfeld zu seinen Gunsten beeinflussen. So hat beispielsweise Trumps Vize J.D. Vance im Wahlkampf gefordert, die amerikanische Unterstützung für die Nato davon abhängig zu machen, dass die EU Musks Plattform X nicht reguliert. Hier werden schamlos Dinge verknüpft, die nichts miteinander zu tun haben, und damit ein Erpressungsversuch in die Welt gesetzt zum Nutzen eines finanziell potenten Sponsors.
Ob die US-amerikanische Demokratie den Angriff der Plutokraten übersteht oder vollends zur Plutokratie verkommt, wird sich zeigen. Trump jedenfalls umgibt sich mit einem Schwarm von Top-Milliardären, die kaum die Interessen der grossen Mehrheit in den USA verfolgen werden. Und Elon Musk nimmt politisch schamlos Einfluss wo er kann, auch in Europa. Über seine Plattform X/Twitter, aber auch mit propagandistischer und finanzieller Unterstützung von Rechtsextremen weltweit.
Beispiele:
► Grossbritannien:
Elon Musk mischt sich immer wieder in die britische Politik ein und stellt sich gegen Starmers regierende Labour-Partei sowie gegen die Konservativen, die stärkste Oppositionskraft. Er unterstützt die rechtspopulistische Partei Reform UK und hat sich mit deren Parteichef Nigel Farage in Donald Trumps Residenz Mar-a-Lago getroffen. Über eine hohe Geldspende von Musk werde verhandelt, heisst es.
► Deutschland:
Elon Musk mischt sich mit negativen Kommentaren immer wieder in die deutsche Politik ein, äussert sich über die von Rechtsextremen durchsetzte AfD ausgesprochen wohlwollend und unterstützt sie propagandistisch im Wahlkampf, obwohl er nichts von deutscher Politik versteht. Dafür wird er von AfD-Parteigrössen gefeiert. Ob er die Partei auch darüber hinaus finanziell unterstützt ist nicht bekannt. Aber die AfD bekommt schon viel Unterstützung aus Russland – was die Achse der Plutokraten komplettiert.
►Italien:
Elon Musk pflegt mit der postfaschistischen Premierministerin Georgia Meloni eine Allianz, um eine gemeinsame Rechts-Aussen-Agenda voranzutreiben.
►Brasilien:
In Brasilien wurde ein Ermittlungsverfahren gegen Elon Musk eröffnet wegen Behinderung der Justiz und Anstiftung zu Straftaten. Ein Richter hatte Musks Plattform X sperren lassen. X liess zuvor eine Frist zur Benennung eines rechtlichen Vertreters verstreichen und weigerte sich, Konten rechter Aktivisten zu sperren, die Verschwörungstheorien und Falschinformationen verbreiteten. Musk nannte den Richter nach der X-Sperre einen »bösen Diktator«. Es spricht viel dafür, dass er für sich beansprucht, über dem Recht zu stehen. Plutokraten zeigen oft derartige Neigungen.
Dazu passt, dass Elon Musk eine Idee interessant fand und auf X teilte, wonach eine Gesellschaft nur von «Alpha-Männern» mit hohem Testosteron-Spiegel geführt werden sollte. Nur sie seien dazu in der Lage, objektiv zu denken. Frauen und Männer mit tiefem Testosteron-Spiegel hätten demnach nichts mehr zu sagen. Musk bringt mit diesem Beispiel das antidemokratische Denken von Plutokraten und Autokraten auf den Punkt.
Die Plutokratie macht unverkennbar Anstalten, sich auszubreiten. Ihr kann nur durch das Engagement der Bürgerinnen und Bürger Einhalt geboten werden. Entpolitisierung, politische Passivität, Rückzug ins innere Gärtlein und zunehmende Individualisierung bereiten ihr den roten Teppich aus.
Was sollte getan werden gegen den Vormarsch der Plutokraten?
► Eine liberale Gesellschaft wird zurückhaltend sein mit Eingriffen in Einkommen und Vermögen. Es gibt aber Mega-Vermögen, die zur Gefahr für die Gesellschaft werden können und auch nicht nur aus der Arbeit und Genialität eines einzelnen Menschen entspringen. Sie setzen immer eine Gesellschaft voraus, die Grundlagen liefert dafür, dass Einkommen und Vermögen entstehen können. Demokratische Gesellschaften sollten Regeln aufstellen, dass solche Mega-Vermögen rechtlich einwandfrei abgeschöpft werden können (zum Beispiel durch Erbschaftssteuer und konsequentes Stopfen von Steuerschlupflöchern). Wie ein entfesselter Markt den Weg zur Plutokratie ebnet und damit die Demokratie gefährdet, hat Jens Jessen schon im Jahr 2011 in der «Zeit» eindringlich beschrieben. Siehe:
Unterwegs zur Plutokratie (Zeit online), ohne Paywall hier.
► Eine demokratische Gesellschaft braucht verlässliche Medien. Sie darf nicht zulassen, dass alle wesentlichen Medien in die Hände von Plutokraten kommen.
► Um die Demokratie gegen die Plutokratie zu schützen, braucht es politisches Engagement von Bürgerinnen und Bürgern in Parteien und weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen. Engagement kann ein gewissen Gegengewicht verschaffen gegen die Finanzmacht der Plutokraten.
Quellen:
Plutokratie: Die Herrschaft der Reichen – einfach erklärt (Focus online)
Beitrag zu «Plutokratie» auf Wikipedia
Historiker Brendan Simms: «Hitler glaubte, man könne nicht Antisemit sein, ohne Antikapitalist zu sein – und umgekehrt» (NZZ), ohne Paywall hier.
Trump-Vize Vance drohte Nato-Staaten wegen Musk-Plattform X (Frankfurter Rundschau)
Deutschland, Italien, Großbritannien – wie sich Elon Musk schon jetzt einmischt (Spiegel online), ohne Paywall hier.
Musk teilt antidemokratisches Konzept – nur „Alpha-Männer“ sollen das Sagen haben (Focus online)
Elon Musk spricht Wahlempfehlung für AfD aus – mit Verweis auf eine rechte Influencerin (Spiegel online)
Elon Musk unterstützt britische Rechtspopulisten – Nigel Farage hofft auf Geld (Tages-Anzeiger)
Elon Musk hat mindestens 277 Millionen US-Dollar für Trump und die Republikaner ausgegeben – hier floss das Geld genau hin (businessinsider)
Siehe auch:
Demokratie darf uns nicht müde machen, sagt Herta Müller
Demagogie als Gefahr für die Demokratie
Demokratie – ihre typischen Merkmale
Die Plutokratie ist natürlich nicht der einzige Feind der Demokratie. Eine Beschreibung von 12 Feinden der Demokratie hier: