«Zigeuner» ist ein Wort, das insbesondere in der Identitätspolitik tabu ist, weil es angeblich Minderheiten diskriminiert. Doch so einfach ist es nicht. Die jenische Schriftstellerin Isabella Huser hat ihr Buch ganz bewusst «Zigeuner» genannt. Für sie ist das inzwischen umstrittene Wort «Zigeuner» trotz allem auch eine positive Eigenbezeichnung.
Der Buchtitel «Zigeuner» war auf der Einladung der Stadt Zürich für eine interne Weiterbildungs-Veranstaltung plötzlich verschwunden. Das geschah auf Anweisung des Leiters der Züricher «Fachstelle Diversität, Integration, Antirassismus». Er hatte die Anweisung gegeben, den Titel zu löschen, ohne die Schriftstellerin vorher zu informieren.
Die Antirassismus-Fachstelle wolle nicht Wörter verwenden, «die von Teilen der Bevölkerung als abwertend oder (rassistisch) diskriminierend wahrgenommen werden (können)». Der Leiter hält fest: «Den Titel werden wir nicht aussprechen.»
Autorin Isabella Huser dagegen sagt: «Da schwingt sich ein Amt zum Herrscher über die Sprache auf.» Sie ist der Ansicht, dass die Schweiz das Widersprüchliche brauche, damit eine Auseinandersetzung möglich sei. Ein Wort zu tilgen, helfe dabei nicht.
Sie findet es grotesk, dass die Stadt Zürich ihren Buchtitel ‹Zigeuner› nicht nennt, weil dieser rassistisch verstanden werden könnte. Es sei eine klassische Selbstermächtigung einer Angehörigen einer Minderheit, ihr Buch so zu nennen.
Von jenischer Seite habe sie noch nie eine Kritik zu hören bekommen, was die Wahl ihres Buchtitels und ihre Selbstbezeichnung betrifft.» Dass die Zürcher Fachstelle den Buchtitel ohne Rücksprache mit ihr gelöscht habe, sei despektierlich.
Isabelle Huber erklärt zudem, sie habe ihr Buch an unzähligen Lesungen oder Veranstaltungen vorgestellt, etwa an den jenischen Kulturtagen in Innsbruck – immer ohne Probleme. Die Stadt Zürich sei die erste Veranstalterin, die sich weigere, den Buchtitel ‹Zigeuner› zu nennen.
Die Schriftstellerin Huser ist zudem Mitglied der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus und als solches sehr unverdächtig, Literatur zu verbreiten, die der Sache der Jenischen schaden würde.
Wer darf noch «Zigeuner» sagen?
Isabelle Huser will trotz des Zwischenfalls an der internen Weiterbildungs-Veranstaltung der Stadt Zürich teilnehmen, zu der sie zusammen mit anderen Jenischen und Roma eingeladen worden ist. Mit der Veranstaltung will die Stadt Zürich Angestellte für die Anliegen dieser Minderheit sensibilisieren, was eine löbliche Absicht ist.
Eine Medienanfrage des «Beobachters» an den Fachstellenleiter sowie das Departement beantwortet der Kommunikationschef von Stadtpräsidentin Corine Mauch ausweichend. Er sagt, dass der Fachstellenleiter den Entscheid, auf das Wort «Zigeuner» zu verzichten, in Eigenregie getroffen habe. Davon betroffen sei ausschliesslich die Kommunikation der Fachstelle. Eine verbindliche stadtweite Richtlinie gebe es diesbezüglich nicht. Isabelle Huser sowie anderen Referentinnen und Referenten stehe es natürlich frei, das Wort «Zigeuner» an der Weiterbildungs-Veranstaltung zu benutzen. Auch städtische Angestellte dürften das Wort verwenden, sofern sie ausserhalb der Fachstelle tätig seien. Die Moderatorin der Veranstaltung jedoch darf «Zigeuner» nicht aussprechen, weil sie für die Antirassismus-Fachstelle arbeitet.
Die Fachstelle bedauert aber, dass Frau Huser erst spät oder zu spät erfahren hat, dass der Text in der definitiven Version der Einladung zur internen Veranstaltung angepasst wurde. Trotz der Differenzen werde man an der internen Weiterbildungs-Veranstaltung das Buch von Isabella Huser auflegen. Sie werde dort auch Gelegenheit haben, dieses zu signieren.
Quelle:
Empörung über Antirassismus-Fachstelle:
Stadt Zürich will das Buch «Zigeuner» nicht beim Namen nennen (Beobachter)
Identitätspolitik dominiert in vielen Antirassismus-Fachstellen
Für sich genommen ist dieser Zwischenfall rund um den Begriff «Zigeuner» kein Drama. Er illustriert aber gut, wie Identitätspolitik tickt. Sie geht davon aus, dass ein Umbau der Sprache die Welt zum Besseren verändert. Das ist wohl eine Täuschung. Siehe dazu:
Sprachpolitik als Element der Identitätspolitik
Ergänzend dazu:
Identitätspolitik: Darf man noch «Indianer» sagen?
Mohr, Mohrenkopf, Mohrenapotheke – darf man das noch sagen?
Dass «Fachstellen für Diversität, Integration, Antirassismus» stark durch identitätspolitische Ideologien geprägt sind, ist ein problematischer Zustand. Denn die angeblich unterstützten Minderheiten haben von identitätspolitischer Symbolpolitik wenig, während ein universalistische Ansätze in den vergangenen Jahrzehnten handfeste Erfolge erreicht haben.
Siehe dazu:
Identitätspolitik versus Universalismus
Yascha Mounk zu Identitätspolitik versus Universalismus