Simone Ingold schreibt in der NZZ, die Wokeness sei am Ende: «Die Identitätspolitik ist nicht zu vergleichen mit der Frauen- oder Bürgerrechtsbewegung. Mit ihrer Irrfahrt im Gaza-Krieg hat sich die progressive Bewegung endgültig diskreditiert.»
Ja, die Diskreditierung ist heftig. Es hat sich überaus deutlich gezeigt, dass Identitätspolitik / Wokeness über weite Bereiche von Antisemitismus durchtränkt ist. Die Ankündigung eines Endes der Wokeness könnte aber etwas gar vorschnell sein. Identitätspolitische Ideologien haben sich über viele Jahre von Universitäten kommend in Bildungsinstitutionen, Medien und in der Politik festgesetzt.
Das sieht wohl auch Simone Ingold so und schreibt, «dass es noch nie eine ideologische Strömung gab, die sich so schnell in den Institutionen festsetzen konnte wie die Wokeness. In kürzester Zeit ist ein Apparat entstanden, der staatliche Organe, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gleichermassen durchdringt. Sein klingender Name: “Diversity Industrial Complex”.»
Wokeness ist angekratzt, aber noch lange nicht am Ende
Das Magazin «20 Minuten» stellt in einem Beitrag ebenfalls die Frage, ob die Woke-Welle vorbei sei und stellt fest: «Grosse Firmen lösen Diversity-Teams auf». «20 Minuten» verweist als Beispiele auf Microsoft, Google und den Facebook-Mutterkonzern Meta, die seit kurzem ihre Ausgaben für Diversität gekürzt und die Teams für Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration zusammengeschrumpft haben. «20 Minuten» zitiert den Wirtschaftspsychologen Christian Fichter mit der Aussage, dass das Pendel zurückschlägt.: «Diversität wurde zur Religion überhöht. Mitarbeiter wurden belehrt, sie seien Sexisten, weil sie nicht gendern».
Dieser Rückschlag für «Wokeness» in der Wirtschaft ist gut nachvollziehbar. Die Wirksamkeit und der Nutzen von Diversity-Trainings ist jedenfalls wissenschaftlich nicht belegt. Das zeigt zum Beispiel der Psychologe Varnan Chandreswaran in seinem Buch «Gefangen in der Opferrolle – Warum Wokeness scheitert». Er schreibt zu Diversitätstrainings:
«Noch ernüchternder ist eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2019 mit rund 87 000 Teilnehmern, die ergab, dass Trainings zur Reduktion unbewusster Vorurteile das voreingenommene Verhalten nicht verändern.»
Wozu macht man sie dann?
Quellen:
«Die Wokeness ist am Ende. In Erinnerung bleiben wird sie als kurioses Artefakt der Pop-Kultur» (NZZ)
«Woke»-Welle vorbei? Grosse Firmen lösen Diversity-Teams auf» (20 Minuten)
«Gefangen in der Opferrolle – Warum Wokeness scheitert», von Varnan Chandreswaran, Eulogia Verlag 2024. siehe dazu auch: Buchbesprechung und Zitate.
Anmerkungen:
Es mag sein, dass der Trend zu Wokeness in der Wirtschaft wieder am abflauen ist. An Universitäten, in vielen Medien, in Bildungsinstitutionen und in der Politik haben sich theoretische Ideen aus der Identitätspolitik und vor allem aus dem Postkolonialismus sehr etabliert.
Und das ist ein ernsthaftes Problem, das nach Gegensteuer verlangt. Siehe dazu:
Wie Postkolonialismus Antisemitismus fördert und Terror legitimiert
Postkolonialismus als Quelle von Judenhass
Wie der queere Feminismus im Antisemitismus gelandet ist
Wokeness – schädlich und das krasse Gegenteil von Verhaltenstherapie