Kognitive Verhaltenstherapie ist eine ankannte Methode der Psychotherapie. Wokeness / Identitätspolitik ist dagegen ein absolutes Zeitgeistphänomen. Wokeness und kognitive Verhaltenstherapie wollen beide Leid lindern, gehen dabei aber sehr gegensätzlich vor.
Mit den schädlichen Aspekten der Wokeness hat sich der Psychologe Varnan Chandreswaran befasst. Er weist auf die eklatanten Unterschiede zur kognitiven Verhaltenstherapie und erklärt im Gespräch mit Jasmin Kosubek:
«Das was Wokeness tut ist im Grunde das Gegenteil von kognitiver Verhaltenstherapie. In der kognitiven Verhaltenstherapie sagt man, hey, stellt dich deinen Ängsten. Wokeness sagt, bau dir deinen Safer Space mit Trigger-Warnungen und vermeide all das.
Kognitive Verhaltenstherapie sagt, hinterfrag deine Gedanken. Wokeness sagt, vertrau deinen Gefühlen, man muss Betroffenen glauben.
Kognitive Verhaltenstherapie sagt, übernimm Verantwortung. Versuch selber dann was zu ändern. Wokeness sagt, schuld sind die Anderen. Das ist wirklich das Gegenteil.»
Das Video mit dem ganzen Gespräch ist am Schluss dieses Beitrags zu finden.
Wokeness ist wie umgekehrte Verhaltenstherapie
Varnan Chandreswaran ist nicht der Einzige, der einen Gegensatz zwischen Wokeness und Verhaltenstherapie sieht. Helen Pluckrose und James Lindsey schreiben in ihrem Buch «Zynische Theorien» zur Critical-Race-Theorie, die ein wichtiger Pfeiler ist im Kosmos von Wokeness / Identitätspolitik:
«Die für die Critical-Race-Theorie charakteristische paranoide Geisteshaltung, die davon ausgeht, dass immer und überall Rassismus herrscht und nur darauf wartet, gefunden zu werden, ist für diejenigen, die sie übernehmen, höchstwahrscheinlich weder hilfreich noch gesund. Wer stets vermutet, dass er gerade oder demnächst diskriminiert wird, und unaufhörlich herauszufinden versucht, wie dies geschieht, dürfte in kaum einer denkbaren Situation etwas zum Besseren verändern. Misstrauen kann auch kontraproduktiv sein. In The Coddling of the American Mind beschreiben der Rechtsanwalt Greg Lukianoff und der Sozialpsychologe Jonathan Haidt diesen Prozess als eine Art umgekehrter Verhaltenstherapie, nach der die Klienten geistig und emotional weniger gesund sind als zuvor. Der Hauptzweck einer Verhaltenstherapie besteht darin, sich selbst zu trainieren, nicht jede Situation als Katastrophe zu betrachten und in den düstersten Farben zu zeichnen, und ihr Ziel besteht darin, ein positiveres, stabileres Verhältnis zu Welt zu entwickeln, damit man sich so gut wie möglich auf sie einlassen kann. Bringt man umgekehrt jungen Leuten bei, in jeder Interaktion Beleidigungen, Feindseligkeit und Vorurteile zu wittern, dürften sie die Welt zunehmend als feindlich betrachten, ohne sich noch in ihr entfalten zu können.»
Dann bleibt nur ein Rückzug in Safe Spaces und homogen zusammengesetzte Blasen Gleichgesinnter. Notwendige politische Veränderungen anzustossen, wird aus dieser isolierten Position sehr schwierig.
Quellen:
☛ „Zynische Theorien: Wie aktivistische Wissenschaft Race, Gender und Identität über alles stellt – und warum das niemandem nützt“, von Helen Pluckrose und James Lindsay, C. H. Beck Verlag 2022. Siehe dazu auch: Buchbesprechung und Zitate.
☛ YouTube-Video: Jasmin Kosubek im Gespräch mit Varnan Chandreswaran (siehe unten).
Siehe ausserdem:
☛ Von Varnan Chandreswaran gibt es ein lesenswertes Buch zum Thema:
«Gefangen in der Opferrolle – Warum Wokeness scheitert», von Varnan Chandreswaran, Eulogia Verlag 2024. siehe dazu auch: Buchbesprechung und Zitate.
☛ Grundsätzlichere Texte zu Wokeness / Identitätspolitik:
Identitätspolitik als Gift für die Demokratie
Identitätspolitik unterminiert Wissenschaft
Identitätspolitik unterminiert Demokratie und Rechtsstaat
Was Identitätspolitik mit Religion verbindet
Identitätspolitik: Was bringen Triggerwarnungen?