Laut einem Bericht des Französischen Instituts für Internationale Beziehungen (Ifri) basiert die Sicherheit Europas derzeit auf zwei Grundpfeilern: Auf dem militärischen Engagement der USA innerhalb der Nato und auf dem Erfolg der Ukraine auf dem Schlachtfeld. Sollte einer der beiden Faktoren wegfallen, würde die Wahrscheinlichkeit einer direkten militärischen Konfrontation mit Russland „erheblich steigen“, schreibt das Ifri in dem Bericht. Europas Sicherheit hänge inzwischen genauso stark von der Ukraine ab wie umgekehrt.
Ifri-Leiter Thomas Gomart sieht „entscheidende militärische Lücken“
Der Leiter des Ifri, Thomas Gomart, unterstrich die Notwendigkeit, „unsere Stärken und Schwächen zu identifizieren“. Er sieht in Europa „entscheidende militärische Lücken“. Die europäischen Länder hätten aber das nötige Potenzial, „sprich die wirtschaftlichen Ressourcen, die militärischen Fähigkeiten und das technologische Know-how“, um sich im Jahr 2030 Russland entgegenzustellen, sofern sie „politischen Willen beweisen“.
Im Falle eines Krieges mit Russland könnte Europa dem Ifri-Bericht zufolge derzeit Schwierigkeiten bei der Mobilisierung von Truppen und der Produktion von Waffen haben.
Zur gegenwärtigen Lage stellt der Ifri-Bericht mit dem Titel „Europa-Russland: Beurteilung des Kräfteverhältnisses“ fest: „Abgesehen von einigen Frontstaaten, die Reservisten und Nationalgarden auf ihrem Territorium mobilisieren könnten, wären die anderen nicht in der Lage, mehr als ein paar Bataillone bereitzustellen.“ „Vielleicht sechs Länder“, darunter Frankreich, Großbritannien und Deutschland, müssten nach gegenwärtigem Stand die Bereitstellung großer militärischer Formationen schultern.
Den Staaten Europas sei es bisher nicht gelungen, erhöhte Verteidigungsausgaben in einen „spürbaren industriellen Aufschwung“ umzumünzen, erläutert das Ifri. So seien beispielsweise die Herstellungszahlen von Lenkflugkörpern „weitaus geringer als das, was eine militärische Konfrontation mit Russland erfordern würde.“
Das Ifri sieht Gründe, an der „politischen, strategischen und einsatzfähigen Verfügbarkeit einer Anzahl von europäischen Truppen“ im Kriegsfall zu zweifeln. Angesichts dieser Lage müssten die Staaten Europas politischen Willen und „eine einheitliche Verteidigungswirtschaftsstrategie“ an den Tag legen, um sich innerhalb der kommenden fünf Jahre auf eine mögliche Konfrontation mit Russland vorzubereiten. Einen möglichen Krieg mit Russland halten die Ifri-Studienautoren für eine „langfristige Bedrohung“ Europas.
Quelle:
Studie bescheinigt Europa „entscheidende Lücken“ im Kriegsfall (n-tv)
Siehe auch:
► «Die Rückkehr des Krieges» von Franz-Stefan Gady, Quadriga Verlag 2024. Buchbeschreibung und Zitate.
► Ziviler Widerstand oder/und Aufrüstung?
► Wie steht’s um die Wehrhaftigkeit westlicher Demokratien?