Der öffentliche Diskurs mutiere inzwischen zum „Moralspektakel“, schreibt der Philosoph Philipp Hübl in seinem neuen Buch. Moral wird zum Statussymbol und zur Waffe. In einem Gespräch mit dem Magazin «Profil» erläutert Hübl dieses Thema, das auch in der Identitätspolitik eine zentrale Rolle spielt.
Moral selber sei kein Statussymbol, sondern betreffe die Frage, was gut und was schlecht ist, wie wir handeln sollen. Doch indem wir über Moral kommunizieren, können wir auch Anerkennung bekommen, oder gar Prestige.
Firmen oder Personen können sich aufwerten, indem sie die richtigen moralischen Signale senden.
Das kann geschehen, indem man einen Jutebeutel trägt, um zu signalisieren, dass man umweltbewusst ist. Oder im Kontext von Identitätspolitik, indem man richtig gendert und korrekte Pronomen verwendet.
Solche Signale können Gruppenzugehörigkeit anzeigen oder zu Aufwertung innerhalb der Gruppe führen. Unter Hedonisten, für die Luxus von hoher Bedeutung ist, erhält vielleicht jemand besonders viel Anerkennung, der eine speziell seltene Uhr hat oder eine besonders tolle Handtasche. Auch mit bestimmter Kleidung lässt sich signalisieren, dass man zu einer bestimmten Gruppe gehört.
Mit Moral verhalte es sich genauso, sagt Philipp Hübl:
«Mit Moral ist das genauso. Mit den richtigen Signalen, wie dem Bekenntnis zu Diversität, kann ich zur Schau stellen: Ich bin progressiv, weltoffen, urban. Aber ich kann auch innerhalb der Gruppe noch einen besonderen Status bekommen, wenn ich besonders sensibilisiert bin, etwa für die Verletzung von Minderheitenrechten. Oder auf der anderen Seite, wenn ich besonders tough bin und konservativ und an den alten Werten festhalte. Damit kann ich innerhalb dieser Gruppe Prestige, also hohen Status bekommen.»
Statuskampf sei eine Form von Konkurrenzkampf. In der Arbeitswelt und auch in der Politik kann man – statt sich auf der Leistungsebene zu messen – auf die moralische Ebene wechseln und dort den Gegner angreifen und diffamieren. Da moralische Vorwürfe schwer wiegen, lässt sich Moral leicht als Waffe einsetzen.
Quelle:
Moral:
Philipp Hübl: Warum die richtige Haltung oft nur Show ist (Profil)
Moral als Waffe in der Politik
► Philipp Hübel spricht ein wichtiges Thema an. Moral als Waffe in der Politik gab es wohl schon immer. Die Social-Media-Plattformen sind aber wie geschaffen dafür, Moral als Waffe einzusetzen. Sie leben von der Empörung.
Siehe auch: Moralismus, politischer
► Moralismus und Empörung sind eng verknüpft mit Diffamierung politischer Gegner. Im Kontext von Identitätspolitik neigt vor allem der Transaktivismus zu Diffamierungsstrategien. Siehe dazu:
Identitätspolitik: «Transphobie» als billige Diffamierungsstrategie
Transaktivismus: Diffamierung als Methode?
►Ausserdem zu Philipp Hübl der Beitrag:
Philipp Hübl zur digitalen Einschüchterungskultur
►Und hier geht’s zum lesenswerten Buch «Moralspektakel» von Philipp Hübl und zu Youtube-Gesprächen mit dem Philosophen zum Thema:
Buchtipp: «Moralspektakel» von Philipp Hübl.