Anlässlich der Bauernproteste in Deutschland haben auch die «Freiheitstrychler» aus der Schweiz wieder einmal einen Auftritt. In Konstanz solidarisieren sie sich mit dem Protest und lassen dabei ihr Glockengeläut ertönen. Der forensische Psychiater Frank Urbaniok kommentiert auf X:
«Querulieren als Lebenssinn, um sich in einer privilegierten Wohlstandsgesellschaft als eine Art «Freiheitskämpfer» zu inszenieren. Ein Hohn für die Menschen,die sich in totalitären Systemen unter Einsatz von Gesundheit & Leben tatsächlich für Freiheit/demokratische Werte einsetzen.»
Quelle:
https://twitter.com/Urbaniok/status/1744350608008630288
Die «Freiheitstrychler» sind falsch abgebogen
Frank Urbaniok charakterisiert die «Freiheitstrychler» sehr treffend.
Die «Freiheitstrychler» sind schon lange auf dem Holzweg und leben offenbar in einer Parallelwelt. Hier geht’s zu realen Herausforderungen:
Viele Herausforderungen für westliche Demokratien – packen wir das?
Wer sind die «Freiheitstrychler»?
Trycheln ist ein Brauch, der vor allem in der Innerschweiz noch ausgeübt wird. Eine Trychle (oder Treichel) ist eine Variante der Kuhglocken in der Schweiz. Sie besteht jedoch aus gehämmertem Blech, während im Unterschied dazu eine Glocke aus gegossenem Metall hergestellt wird.
Trychlen werden ganz allgemein als Klanginstrument bei den unterschiedlichsten Gelegenheiten in manchen Teilen der Schweiz verwendet.
Seit dem Herbst 2020 treten Trychler in Gruppen bei bewilligten und unbewilligten Demonstrationen gegen Corona-Massnahmen an verschiedenen Orten in der Schweiz und im Ausland auf. Mit ihrem Geläut und den weissen Hemden fallen sie an der Spitze der Umzüge auf. Sie bezeichnen sich als «Freiheitstrychler» und sollen zu einem grösseren Teil aus dem Kanton Schwyz stammen. Fotos von Bundesrat Ueli Mauer in einer Kutte der «Freiheitstrychler» lösten heftige Reaktionen aus, wurden in dieser «Szene» jedoch als Erfolg gefeiert.
Hoch fragwürdige Auffassung von Freiheit
Vordergründig geht es den «Freiheitstrychlern» um das, was sie als Freiheit auffassen: Die Abwesenheit von Corona-Schutzmassnahmen. Sie scheinen jedoch keine Vorstellung davon zu haben, dass die Freiheit des Einzelnen auch in der Corona-Pandemie an den Freiheiten anderer Grenzen hat. Sie haben scheinbar auch nicht gemerkt, dass die Corona-Massnahmen inzwischen aufgehoben sind. Sie haben sich in eine Welt von Verschwörungstheorien verabschiedet. Ist eine Verschwörungsmentalität einmal etabliert, sind die Betroffenen auch hochgradig anfällig für weitere Verschwörungstheorien. So übernehmen «Freiheitstrychler» und andere «Querdenker» in der Nachfolge von Corona oft die russischen Verschwörungstheorien zum Ukraine-Krieg.
Siehe dazu:
Ukraine-Krieg: Verschwörungsgläubige sehen die Schuld seltener bei Russland
Und nicht selten hört man in dieser Szene Äusserungen, wonach wir in der Schweiz in einer Diktatur leben. Und da sind wir dann wieder beim Satz von Frank Urbaniok:
«Ein Hohn für die Menschen, die sich in totalitären Systemen unter Einsatz von Gesundheit & Leben tatsächlich für Freiheit/demokratische Werte einsetzen.»
Bemerkenswert ist auch der Missionierungsdrang der «Freiheitstrychler». Konstanz war nicht ihr erster Auslandeinsatz. Sie beglückten auch schon eine rechtsextreme Demonstration in Wien mit ihrem Gebimmel und eine Kundgebung zum Tag der Menschenrechte (!) in Karlsruhe. Sie wähnen sich tatsächlich als Verteidiger von Bürgerrechten und Menschenrechten. Sie glauben, die Demokratie zu verteidigen, unterminieren sie aber.
Es ist unglaublich, wie weit Menschen unter dem Einfluss von Propaganda und Desinformation von den politischen Realitäten abdriften können. Die «Freiheitstrychler» sind dafür ein eindrückliches Beispiel. Und weil es sehr schwierig ist, dass Menschen aus einem derartigen Sumpf wieder herausfinden, müssen wir uns viel mehr Gedanken dazu machen, wie solchen Entwicklungen vorgebeugt werden kann.