Zahlreiche Nobelpreisträger warnen in einem offenen Brief vor einer «Beschwichtigung des Aggressors» im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die Trägerinnen und Träger des Nobelpreises fordern Staats- und Regierungschefs weltweit zu einer deutlichen Ausweitung der Ukraine-Hilfe auf. Die Geschichte lehre uns, dass die Beschwichtigung eines Aggressors weitere Verbrechen gegen die Menschheit begünstigt, steht in dem Brief.
Kein „vorübergehender Nutzen“ könne solche Beschwichtigung rechtfertigen. Die Nobelpreisträger und Nobelpreisträgerinnen fordern Politiker auf, „jegliche Illusionen über Herrn Putin und sein Regime“ abzulegen.
Unterzeichnet haben den Brief unter anderen die ukrainische Friedensnobelpreisträgerin Oleksandra Matwijtschuk sowie die Schriftstellerinnen Herta Müller und Elfriede Jelinek.
Fünf konkrete Forderungen
In ihrem Brief formulieren die Nobelpreisträgerinnen und Nobelpreisträger fünf konkrete Forderungen:
- Die Ukraine-Hilfe soll drastisch erhöht werden damit die Ukraine „gewinnen, nicht nur ’nicht verlieren'“ könne. Rechtzeitige Hilfe werde in der Ukraine „den Verlust von Menschenleben verringern und dazu beitragen, den Aggressor von ukrainischem Boden zu vertreiben“.
- Die demokratische Opposition in Russland soll unterstützt werden. Die Weltgemeinschaft müsse sich zusammentun, um politische Gefangene zu schützen, die derzeit in Russland gefoltert würden, schreiben die Unterzeichner.
- Russinnen und Russen, die von Repressionen bedroht sind und Asyl benötigen sollen verstärkt unterstützt werden.
- Demokratische „Anti-Putin-Organisationen“ sollen unterstützt werden – einschließlich unabhängiger russischer Medien, „deren Rolle bei der Förderung des Regimewechsels entscheidend ist“.
- «Putins illegaler Machtausübung in Russland“ soll delegitimiert werden durch Verweigerung der Anerkennung von Putins Wiederwahl durch die Staats- und Regierungschefs der Welt. Dies würde „eine deutliche Botschaft aussenden“, dass die Welt Putin nicht länger als „Partner“ betrachten könne.
Die Nobelpreisträger würdigen in ihrem Brief auch den in russischer Haft verstorbenen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny. Sie schreiben: „Die umfassende Aggression gegen die Ukraine und die Ermordung von Alexej Nawalny verdeutlichen die Eskalation der Bedrohung auf eine neue Stufe.“ Das Putin-Regime kenne „keine Einschränkungen mehr bei der Verletzung von Menschenrechten und internationalen Normen“.
Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner erklären sich zudem als Mitglieder der internationalen akademischen Gemeinschaft zutiefst besorgt darüber, „dass der wissenschaftliche Fortschritt bedroht ist, wenn Diktatoren die geistige Freiheit untergraben, insbesondere in einer Zeit, in der die globale Zusammenarbeit angesichts weltweiter Pandemien, des Klimawandels und der existenziellen Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen wichtiger ist denn je“.
Quelle:
Ukraine-Krieg: Nobelpreisträger fordern „drastische Erhöhung“ der Ukraine-Hilfen (Zeit online)
Hier geht es zum offenen Brief:
No more tolerance to Putin’s regime!
An appeal from scholars of the world
Die Ukraine-Hilfe ist im ureigensten Interesse der Demokratien Europas
Ohne konsequente Ukraine-Hilfe – militärisch, humanitär, finanziell – könnte Putin das angegriffene Land unterwerfen. Das hätte dramatische Folgen für die Sicherheitslage in Europa. Ein solcher Erfolg würde den Kreml-Chef dazu ermutigen, auf seinem imperialen Pfad weitere Länder anzugreifen, so wie er es unmissverständlich angekündigt hat. Autokraten vom Schlage Putins nutzen jede Schwäche, um einen Schritt weiter zu gehen. Sie lassen sich nur durch Stärke stoppen.
Eine Niederlage der Ukraine hätte zudem eine Fluchtbewegung grossen Ausmasses zur Folge, wie sie Europa möglicherweise noch nie gesehen hat.
Der Migrationsforscher Gerald Knaus rechnet in einem solchen Fall mit Millionen Flüchtlingen. Die weitere Unterstützung der Ukraine sei darum die „wichtigste Fluchtursachenbekämpfung für Europa“.
Siehe dazu:
Unterstützung der Ukraine ist „wichtigste Fluchtursachenbekämpfung für Europa“
Herta Müller bringt Putin auf dem Punkt
Wenn die Schriftstellerin und Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller mit diesem Brief mehr Ukraine-Hilfe fordert, dann weiss zu mindestens diese Unterzeichnerin genau, worum es dabei geht. Herta Müller ist in einer Diktatur aufgewachsen, im Rumänien Ceauşescus.
Siehe dazu:
Herta Müller bringt Wladimir Putin auf den Punkt
Demokratie darf uns nicht müde machen, sagt Herta Müller
Herta Müller warnt vor infantilem Verhältnis zum Staat