«Für eine Rückbesinnung auf linke Ideale» lautet der Untertitel des Buches der
TAZ-Redakteure Jan Feddersen und Philipp Gessler. Sie fordern darin eine Wiederbelebung des linken Projekts Universalismus und machen Gegenvorschläge zur Cancel Culture. Das Buch ist eine sehr lesenswerte Kritik der angeblich linken Identitätspolitik von einem linken Standpunkt aus.
Der Verlag schreibt zum Buch von Jan Feddersen und Philipp Gessler:
«Wenige Themen polarisieren die Öffentlichkeit derzeit so sehr wie die sogenannte Identitätspolitik und die damit verbundene »Cancel Culture«. Ist sie eine legitime Strategie, um bislang diskriminierten, übergangenen Gruppen und ihren Anliegen Geltung zu verschaffen? Oder verschärft sie am Ende die Spaltung der Gesellschaft?
Jan Feddersen und Philipp Gessler bestreiten in ihrem Buch nicht die Existenz von Rassismus und Traditionen der Benachteiligung, von einer Sprache, die Menschen diskriminiert und übergeht. Doch sie meinen: Wer Gruppenidentitäten überhöht, fördert Entsolidarisierung. Wenn sich nur noch diejenigen zu einem Thema äußern dürfen, die davon unmittelbar betroffen sind, lassen sich wichtige Debatten in der Demokratie kaum noch führen. Vor allem dann nicht, wenn mit Hinweis auf Ungerechtigkeiten ein offener Diskurs beschränkt wird. Deshalb plädieren die beiden für eine Rückbesinnung auf den Universalismus, der einmal ein linkes Projekt war. Dafür, dass wir uns als Individuen in unserem jeweiligen Verschiedensein respektieren. Und sie machen Vorschläge für eine fruchtbarere Debattenkultur.
Für das Buch sprachen die Autoren u.a. mit Cindy Adjei, René Aguigah, Till Randolf Amelung, Seyran Ateş, Paula-Irene Villa Braslavsky, Gianni Jovanovic, John Kantara, Daniel Kehlmann, Ijoma Mangold, Ahmad Mansour, Susan Neiman, Ronya Othmann, Susanne Schröter, Alice Schwarzer, Harald Welzer, Ulrike Winkelmann.»
Die Autoren:
Jan Feddersen (Jahrgang 1957) ist Redakteur der Taz und Autor unter anderem für den NDR sowie ARD-Grand-Prix-Experte. Er ist Herausgeber des «Jahrbuchs Sexualitäten» und schreibt über Themen der Gesellschafts- und Geschichtspolitik, Homosexualität, Diskriminierung sexueller Identitäten, Diskurstheorie, Popkultur (Pop- und Schlagermusik, Eurovision Song Contest).
Philipp Gessler (Jahrgang 1967), war über viele Jahre TAZ-Redakteur und Redakteur von Deutschlandfunk Kultur, sowie seit 2017 Redakteur von «zeitzeichen». Er ist Autor der Bücher »Der neue Antisemitismus. Hinter den Kulissen der Normalität« (2004), »Wolfgang Huber. Ein Leben für Protestantismus und Politik« (2012) und »Phrase unser« (2020, zusammen mit Jan Feddersen).
Zitat aus dem Buch von Jan Feddersen und Philipp Gessler
Jan Feddersen und Philipp Gessler schildern in ihrem Buch im Abschnitt «Bussrituale und andere religiöse Züge» unter anderem auch Gemeinsamkeiten zwischen Identitätspolitik und Religion. Zitat:
«Und genau wegen dieses allumfassenden, unabwendbaren Appells ans Zuhören, Sprechen, Bekennen und Einräumen hat die moderne Identitätspolitik nach unserem Verständnis unbewusst viel mit der christlichen Religion zu tun. Es ist eine Art Religionsersatz. Mögen die beiden grossen Amtskirchen im säkularen und multikulturellen Deutschland an Einfluss verloren haben: Ihre Moralen und rhetorischen Praxen haben überlebt, ziemlich gut sogar, und nicht nur innerhalb ihres institutionellen Gefüges. Lässt man sich auf die Sprache der Identitätspolitik ein und darauf, was aus ihr folgt, ist leicht die christliche Praxis der Lebensführung zu erkennen, ein Potpourri an Mahnungen und Übungen in Einkehr, in Besinnung und Umkehr – und, nicht zu vergessen, in Devotion. Wer sich weigert, den Exerzitien zu folgen, muss mit Bannflüchen rechnen, vor allem mit digitalen Shitstorms.»
(Seite 165/166)
Quelle:
«Kampf der Identitäten – Für eine Rückbesinnung auf linke Ideale», von Jan Feddersen und Philipp Gessler, Ch. Links Verlag 2021.
Siehe auch:
☛ Identitätspolitik versus Universalismus
☛ Hier geht’s zu einem Gespräch mit Jan Feddersen & Philipp Gessler:
Kampf der Identitäten – taz Talk meets Buchmesse Frankfurt: