Der Politologe Stephan Bierling hat in einem Interview mit T-online den Politikstil und den Charakter von Donald Trump treffend beschrieben:
«Bei Trump geht es zu wie im Zirkus. Es herrscht das Chaos, aber es hat eine gewisse Systematik.»
Das Chaos entstamme Trumps Bauchgefühl, der fünf Minuten vor einer Pressekonferenz nicht wisse, was er da tun und sagen werde:
«Nun kommen wir zur Systematik: Chaos ist Teil von Trumps Regierungsstil. So hat Trump immer funktioniert, das ist es, was Trump einst von seinem alten Einflüsterer Roy Cohn gelernt hat…….
Cohn hat Trump einst sozusagen für die politische Sphäre ausgebildet. Die zentrale Lehre lautet: Verwirre den Gegner durch möglichst viele Initiativen. Steve Bannon, Trumps früherer Berater, nannte es einmal: „Flood the zone with shit“. Wohlwollend lässt es sich so übersetzen: „Überflute die Öffentlichkeit mit Unsinn“. Darin ist Trump ein absoluter Meister. Wir kommen bei seinen zahlreichen Sprüngen durch die Weltgeschichte doch gar nicht mehr mit: Gerade war die Ukraine das zentrale Thema, dann kamen die Zölle, es gibt diesen Konflikt mit Universitäten wie Harvard und die Abschiebungen nach El Salvador sollten wir auch nicht vergessen. Nun greift er mit Jerome Powell den US-Notenbankchef an. Wer soll da den Überblick behalten?»
Damit sei Trump viel zu erfolgreich. Er überlade das so wichtige System der Checks and Balances innerhalb der amerikanischen Politik systematisch.
«Der Kongress, die Gerichte und die Medien hinken ihm hinterher. Logisch, ein guter Journalist braucht eine gewisse Zeit, um ordentlich zu recherchieren. Das gilt auch für die Gerichte und ebenso für den Kongress. Trump ist in dieser Spanne bereits drei, vier Themen weiter. Wir leben sozusagen in seiner Reality-TV-Show, Trump veranstaltet eine Art Dschungelcamp, in dem er die Nase vorn hat, weil wir noch dabei sind, seine letzten Streiche zu verdauen.»
Vom Chaos in den Faschismus?
Hinter dem ganzen Chaos, das Trump erzeugt, sieht Stephan Bierling auch einen psychologischen Effekt:
«Trump will der große Zampano sein, der bekannteste Mensch dieses Planeten, der alles bestimmt und der alle Macht auf sich konzentriert. Das treibt ihn um, seit er der Pubertät entwachsen ist.»
Auf Deutungsversuche angesprochen, die Trumpf Verhalten mit Diktatur oder Faschismus in Verbindung bringen, sagt Stephan Bierling:
«Die Begriffe Diktatur oder Faschismus beschreiben nicht, womit wir es zu tun haben: Wir erleben die Selbstglorifizierung und die Allmachtsfantasien einer Person, die das System überwölben, ohne dass eine konsistente Ideologie oder eine langfristige und rationale Strategie dahintersteht.»
Das ist eine treffende Charakterisierung der Figur Trump, wobei aber nicht auszuschliessen ist, dass Chaos und Selbstglorifizierung in Diktatur oder Faschismus abgleiten können, wenn die Checks and Balances versagen. Denn Donald Trump hat einen unverkennbaren Hang zum Autokraten.
Quelle der Zitate:
Trump ohne Rücksicht: „Es herrscht das Chaos“ (T-online)
Vom Chaos, das Trump veranstaltet, wenn er jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf treibt, darf man sich nicht irritieren lassen. Diese Strategie gehört zu seiner Rolle als Agitator und Demagoge. Siehe auch:
Agitator, der – als Feind der Demokratie
Buchtipp:
«Die Achse der Autokraten – Korruption, Kontrolle, Propaganda: Wie Diktatoren sich gegenseitig an der Macht halten», von Anne Applebaum, Siedler Verlag 2024. Buchbeschreibung und Zitate.