Die Geschichte der Linken ist stark mit dem Universalismus verbunden. Doch in den letzten Jahrzehnten sind linke Parteien stark durch eine Identitätspolitik geprägt worden, die manchmal auch als Wokeness beschrieben wird. In diesem Zusammenhang kommt immer wieder die Frage auf, ob die Exzesse der Wokeness / Identitätspolitik den Rechtspopulisten nützt.
Der Philosoph Philipp Hübl hat sich in einem Interview mit dem «Tagblatt» zur Frage geäussert, ob Wokeness die Rechtspopulisten fördert:
«Es ist schwer, das kausal nachzuweisen, aber es ist offensichtlich, dass es eine Art “Empörungspingpong“ zwischen den extremen Gruppen gibt, vor allem in den sozialen Medien. Auf der linken Seite werden oft utopische oder absurde Forderungen gestellt, und die Rechten nutzen das, um sich darüber aufzuregen. Viele Rechtspopulisten haben keine eigenständige Politik, sondern definieren sich durch die Ablehnung dessen, was die Progressiven tun. Auf beiden Aussenposten wird übertrieben, und die Medien berichten darüber, wie schlimm die jeweils andere Seite ist. So befeuern sie sich gegenseitig.»
Quelle:
INTERVIEW:
«Es geht nicht mehr darum, Opfer vor Leid zu schützen, sondern richtig zu gendern» (Tagblatt)
Es spricht viel dafür, dass Wokeness / Identitätspolitik den Rechtspopulisten nützt
Zu diesem Schluss kommen auch Holger Marcks und Felix Zimmermann im Portal «Soziale Republik» vom «Verein für konstruktiven Sozialismus»:
«Obwohl ihr die extreme Rechte förmlich ins Gesicht schreit, dass sie von der linken Identitätspolitik enorm profitiert, wollen viele Linke nicht wahrhaben, dass sie ihre Schlachten schlecht wählen. Ihre Praxen der Identitätspolitik sind nicht nur unpopulär; auch ihr Output, ja sogar ihr Gehalt sind fragwürdig.
Quelle:
Epistemischer Wandel – Das Problem der sozialen Zusammensetzung (Soziale Republik)
Der Politologe Francis Fukuyama sieht ebenfalls den Nutzen von Identitätspolitik / Wokeness für die Rechtspopulisten:
«Die linke Identitätspolitik zieht eine politische Korrektheit nach sich, deren Ablehnung zu einer wichtigen Mobilisierungsquelle für die Rechte geworden ist.»
Quelle: «Identität – Wie der Verlust der Würde unsere Demokratie gefährdet», von Francis Fukuyama, Hoffmann und Campe 2019 (Seite 144). Buchbesprechung und Zitate hier.
Ergänzungen:
► Man sieht auch in den USA, wie die hochgradige Identitätspolitik / Wokeness der Demokraten den Rechtspopulisten um Trump in die Hände spielt.
Linke Parteien sollten sich von diesen Ideologien lösen und zu einem Universalismus zurückkehren. Siehe dazu:
Identitätspolitik versus Universalismus
Yascha Mounk zu Identitätspolitik versus Universalismus
►Philipp Hübel hat ein sehr lesenswertes Buch geschrieben mit dem Titel:
«Moralspektakel – Wie die richtige Haltung zum Statussymbol wurde und warum das die Welt nicht besser macht». Buchbesprechung und Zitate sowie drei YouTube-Videos mit Philipp Hübl hier.