Linker Israelhass zeigte sich in erschreckendem Ausmass nach dem Pogrom der Hamas im 7. Oktober 2023 und dem darauf folgen Krieg im Gaza-Streifen. Dabei war die Linke dem Staat Israel nach seiner Gründung durchaus gewogen. Israel galt als emanzipatorisches und mit den Kibbuzim durchaus auch als linkes Projekt. Das scheint sich dramatisch geändert zu haben. Zwar gibt es immer noch Linke, die zu Israel, seinem Existenzrecht und seinem Recht auf Selbstverteidigung stehen. Dominierend scheinen aber Strömungen, die ihrem Israelhass freien Lauf lassen.
Woher kommt der linke Israelhass?
Der gegenwärtig zu beobachtende linke Israelhass basiert im Wesentlichen auf einem kruden Antiimperialismus und einem Postkolonialismus, der im Verbund mit Identitätspolitik grosse Bereiche der Linken prägt.
Nikolas Lelle und Tom Uhlig schreiben dazu im Buch «Judenhass Underground»:
«Der linke Hass auf Israel ist auch auf einen plumpen Antiimperialismus zurückzuführen, auf eine Teilung der Welt in West und Ost, oder neuerdings: in den globalen Norden und Süden. Nach dieser Logik gibt es nur zwei Lager, Unterdrücker und Unterdrückte, den bösen kapitalistischen Imperialismus und die guten Kolonialisierten. Heute feiern Antiimperialist*innen gerne mal die Hamas, die Taliban oder den Iran: Hauptsache, gegen den westlichen Imperialismus. Der jüdische Staat wiederum – ganz egal, um welche konkrete Regierung oder welchen Aspekt der vielschichtigen Gesellschaft es geht – ist und bleibt der Endgegner.
Auch die postkoloniale Theorie hat Antisemitismus in emanzipatorischen Subkulturen und Bewegungen befeuert: Die Aufarbeitung des Kolonialismus ist zweifelsohne wichtig und wird im deutschen Kontext stark vernachlässigt. Aber die Erinnerungskultur an die Shoah, die selbst von unten hart erkämpft werden musste, ist nicht schuld an dieser Leerstelle. Und sie bedeutet nicht, dass der Kolonialismus nicht aufgearbeitet werden muss. Beides ist parallel möglich. Gleichzeitig kann eine postkoloniale Perspektive allein die Welt nicht erklären. Im Fall Israels führt sie zu einer Verzerrung der Realität: Aus einem Fluchtort für Shoah-Überlebende wird ein rassistischer Kolonialstaat. Die dekolonialen, ja antikolonialen Elemente des Zionismus, der auch eine emanzipatorische Befreiungsbewegung der Jüdinnen*Juden weltweit war bzw. ist, um Diskriminierung, Gewalt und Massenmord zu entfliehen, werden dabei ausgeblendet. Ganz zu schweigen von der Vertreibung von rund 900 000 Jüdinnen*Juden aus arabischen Ländern und dem Iran, die seit 1948 Zuflucht in Israel gefunden haben.» (Seiten 13/14)
Quelle:
«Israelhass und Antisemitismus, von Nikolas Lelle & Tom Uhlig, in: «Judenhass Underground – Antisemitismus in emanzipatorischen Subkulturen und Bewegungen», Hentrich & Hentrich 2023. Buchbesprechung und Zitate hier.
Anmerkungen:
☛ Zum moralischen Bankrott der ‘woken`, postkolonialen, queerfeministischen Linken nach dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023:
Buchtipp: “After Woke” von Jens Balzer
☛ Diese scharfe „Teilung der Welt in West und Ost, oder neuerdings: in den globalen Norden und Süden“, wie sie der Antiimperialismus vornimmt, ist zutiefst manichäistisch. Sie hat damit einen pseudoreligiösen Charakter. Siehe dazu:
Manichäismus & Verschwörungstheorien
☛ Diese Kritik an linkem Postkolonialismus und Antiimperialismus ist keine Aufforderung, irgendwen am rechten Rand zu wählen. Linke und grüne Positionen haben ihre Berechtigung im demokratischen System. Aber es wäre wichtig, nur linke und/oder grüne Politikerinnen und Politiker zu wählen, die eine universalistische Haltung zu Menschenrechten vertreten, und nicht solche, die Identitätspolitik betreiben. Universalismus war einmal ein Kernelement linker Politik. Mehr dazu hier:
Identitätspolitik versus Universalismus
☛ Zum Postkolonialismus als Quelle von Israelhass und Judenhass siehe auch:
Wie Postkolonialismus Antisemitismus fördert und Terror legitimiert
Postkolonialismus steht zu Recht in der Kritik
Postkolonialismus als Quelle von Judenhass
Harvard Universität: Postkolonialismus & Antisemitismus Hand-in-Hand
Wie der queere Feminismus im Antisemitismus gelandet ist