An den Besetzungen von Universitäten durch Aktivisten, die sich als pro-palästinensisch bezeichnen, wird immer wieder ein Boykott israelischer Universitäten gefordert.
Nun hat eine Gruppe von mehr als 6.000 Wissenschaftlern aus verschiedenen Ländern und Disziplinen sich in einem offenen Brief gegen den Boykott israelischer Universitäten gewendet. Der Brief unterstreicht die Freiheit der Wissenschaft und die Bedeutung des internationalen Dialogs:
„We strongly believe that international exchange – especially in troubled times like these – is essential for maintaining an open and global academic community. The alarming trend of excluding Israeli scholars from international academic discourse requires unequivocal response on our part. We, the undersigned, call on scholars to stand in solidarity with our Israeli colleagues on this critical issue.“
Quelle: https://docs.google.com/forms/d/e/1FAI
Diese Stellungnahme ist dringend nötig, hat sich doch in universitären Kreisen eine postkoloniale Theorie breitgemacht, die dem Antisemitismus Vorschub leistet.
Erklärungsansätze zu Boykott-Aufrufen gegen israelische Universitäten
In einem Gespräch mit der SONNTAGSZEITUNG geht die forensische Psychologin Astrid Rossegger auf die Hintergründe der Boykott-Aufrufe ein.
Die Interviewerin Bettina Weber stellt die Frage:
«An den Unis wird zum Boykott von jüdischen Unternehmen oder Professorinnen aufgerufen. Das erinnert auf schreckliche Weise an «Kauft nicht bei Juden». Warum fällt gerade Studierenden diese Parallele nicht auf?»
Antwort Astrid Rossegger:
«Das macht mich persönlich ebenfalls ratlos. Aus der fachlichen Perspektive gibt es aber ein paar Erklärungsansätze. Zum einen geht es um einen tief verankerten Antisemitismus, der sich durch alle Bevölkerungsschichten und das ganze politische Spektrum zieht. Der latente Antisemitismus ist gut untersucht und gut dokumentiert. Das darf man nicht ausblenden.
Zum anderen geht es um ein Denken, wonach die Welt aus Täter- und Opfergruppen besteht. Gemäss dieser Sichtweise sind gewisse Bevölkerungsgruppen von Geburt an Opfer und die europäischen Weissen Unterdrücker, sprich Täter. Vertreter dieser Weltsicht ordnen Jüdinnen und Juden seit dem Ende der Schoah und der Gründung Israels der Tätergruppe zu. Sie seien letztlich weisse Kolonialisten, gegen die man sich zur Wehr setzen darf. Mit diesem Narrativ wird dann der 7. Oktober als Befreiungsschlag gerechtfertigt. Das Perverse daran ist, dass Juden im Holocaust vernichtet wurden, weil sie eben nicht als weiss galten, und die Mehrheit der israelischen Bevölkerung nicht-europäische Wurzeln hat.»
Quelle:
Interview über Pro-Palästina-Proteste: «Es kippt ins Extreme» (SONNTAGSZEITUNG, Abo)
Anmerkungen:
☛ Im letzten Abschnitt wird die postkoloniale Theorie angesprochen, die bei diesen angeblich pro-palästinensischen Besetzungen und den damit verbundenen Boykott-Aufrufen eine wichtige Rolle spielt.
☛ Siehe dazu auch:
Postkolonialismus als Quelle von Judenhass
Postkolonialismus steht zu Recht in der Kritik
Harvard Universität: Postkolonialismus & Antisemitismus Hand-in-Hand
Postkolonialismus auf Abwegen: Begeisterung für Osama Bin Laden
Die grösste Bedrohung für wissenschaftliches Denken scheint heute von den Universitäten auszugehen. Identitätspolitik unterminiert Wissenschaft und Demokratie. Liberale Demokratien müssen dieses Problem angehen.
Siehe dazu auch:
Identitätspolitik unterminiert Wissenschaft
Identitätspolitik als Gift für die Demokratie
Identitätspolitik und Postfaktualismus greifen Basis der Wissenschaft an
Standpunkttheorie der Identitätspolitik unterminiert Wissenschaft und Demokratie