In seinem Roman „1984“ hat George Orwell kurz nach dem Zweiten Weltkrieg eine Weltordnung aus antidemokratischen Supermächten beschrieben. Darin ist Europa nur eine Provinz des russischen „Eurasia“. Soweit muss es nicht kommen, aber es gibt Entwicklungen, die ein solches Szenario auch nicht unvorstellbar machen.
George Orwell legte seinem Roman eine Spekulation zugrunde, die Konrad Schuller in der FAZ so zusammenfasst:
«Drei totalitäre, nuklear bewaffnete „Superstaaten“ würden sehr bald die Welt unter sich aufteilen. Der erste, mit Russland als Kern, werde Europa „absorbieren“ und zu einem imperialen „Eurasia“ werden. Der zweite werde von Amerika aus Großbritannien sowie die Reste des British Empire aufsaugen und „Oceania“ errichten. Drittens werde rings um China „Ostasia“ entstehen.»
Dass Orwells Dystopie bisher nicht eingetroffen ist, liegt vor allem daran, dass die USA trotz autoritärer Tendenzen in den McCarthy-Jahren keine Diktatur wurden, und dass sie es auch nicht zu liessen, dass Russland – damals die Sowjetunion – ganz Europa absorbierte.
Zumindest Westeuropa fand unter US-amerikanischem Schutz Sicherheit in der NATO. Nach dem Jahr 1989, als das sowjetische Hegemonialsystem zerbrach, schien der weltweite Sieg der Demokratie unvermeidlich.
Schritte Richtung Eurasia
Inzwischen sind Elemente der globalen Ordnung aus dem Roman „1984“ zu Realitäten geworden. Kurt Schuller schreibt:
«Erstens sind die demokratischen Versuche in Russland längst gescheitert. Das totalitäre „Eurasia“ ist da. Zweitens ist auch der imperiale Superstaat „Ostasia“ keine Fiktion mehr. Das autoritäre China macht Anstalten, auf Taiwan und die Inseln vor seiner Küste auszugreifen. Mit den Einflusslinien der „neuen Seidenstraße“ und des Staatensystems BRICS strebt es nach einem System von Satellitenstaaten und will Weltmacht werden.
Und drittens: Mit Donald Trump scheint auch Amerika in Richtung Autoritarismus zu driften. Trump flirtet mit Despoten, erklärt demokratisch regierte Städte zu Übungsplätzen des Militärs und sucht territoriale Erweiterung.»
Putinismus und Trumpismus sind verwandte Ideologien
Als Voraussetzung für weitere Schritte Richtung Eurasia gilt, dass die USA den Schutz Europas in einer großen Transaktion zwischen Trump und Putin aufgeben. Die weltanschaulichen Voraussetzungen eines solchen Deals werden zunehmend klarer, und Johannes Regenbrecht, ehemals Leiter des Arbeitsstabs Ukraine im Auswärtigen Amt, hat sie gerade in einer Analyse für das „Zentrum Liberale Moderne“ aufgezeigt. Er schreibt:
„Putinismus und Trumpismus sind zwei miteinander verwandte antiliberale und populistische Ideologien.“ Innenpolitisch setzten beide auf „autoritäre Führung“ und „traditionelle“ Werte, außenpolitisch vereine sie „der Kampf gegen die liberale Ordnung und für die Restauration eines Systems unilateral handelnder Großmächte“.
Für die ideologische Seite der Annäherung zwischen Trumpismus und Putinismus gibt es Hinweise auf beiden Seiten. Trump und Putin machen sich phasenweise immer wieder gegenseitig den Hof.
Steve Bannon, ein bedeutender Berater Donald Trumps in dessen erster Amtszeit, hat schon 2018 Putins Russland als „Partner“ im Kampf um die Einheit der „Jüdisch-Christlichen“ Welt beschrieben.
Und Alexander Dugin, der Cheftheoretiker des neuen russischen Imperialismus, sah unlängst in einem Interview mit CNN ein „anderes“ Amerika heraufziehen – eines, das sich nun genau wie Russland „traditionellen Werten“ zuwende. Es gebe zahlreiche Gemeinsamkeiten zwischen „Trumps Amerika“ und „Putins Russland“, und mit Bannon stimme er vollständig überein.
Europa hat lange sicherheitsmässig glücklicherweise weitgehend in einer «Wellnesszone» gelebt. Diese Zeiten sind vorbei. Die Demokratien Europas müssen sich wehrhaft machen gegen aussen und resilient im Innern. Und das auf vielen verschiedenen Ebenen. Wir müssen für unsere Werte einstehen und sind das nicht mehr gewohnt.
Quelle:
ORWELLS RUSSISCHES EUROPA : Willkommen in „Eurasia“ (FAZ)
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Siehe auch:
Ifri: Europas Sicherheit basiert auf den zwei Grundpfeilern USA und Ukraine