Die österreichische Tageszeitung «Der Standard» veröffentlichte ein lesenswertes Interview mit Meron Mendel, Leiter der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt. Darin geht es vor dem Hintergrund des Hamas-Massakers im Süden des Landes Israel auch um dessen Zukunft. Der Interviewer Ronald Pohl stellt die Frage:
«Was soll aus dem jungen, liberalen Israel werden?»
Antwort Meron Mendel:
«Sieht man sich die lange Liste der Ermordeten an, sind die meisten von ihnen junge Zivilisten aus den Kibbuzim. Die Hauptbetroffenen sind Mitglieder des säkularen „Tel-Aviv-Staates“, nicht des religiösen „Jerusalem -Staates“. Diejenigen, die für eine offene Gesellschaft eintreten, sind die, die den Preis zahlen für den Fanatismus. Diejenigen Israelis, die jetzt in den Krieg ziehen, sind nicht die Ultraorthodoxen. Die Last tragen die Säkularen. Wenn diese Bevölkerungsgruppe einmal resigniert hat, kann man für Israels Zukunft nur schwarzsehen. Man darf aber die Hoffnung nicht aufgeben. Wir haben seit Jahresbeginn gesehen, wie entschlossen und stark diese Menschen sind.»
Quelle:
ANTISEMITISMUS: „Ich unterscheide nicht zwischen einem toten Kind im Kibbuz oder in Gaza“ (Der Standard)
Anmerkungen:
Mehr Unterstützung für die säkularen in Israel!
Israel ist tief gespalten zwischen dem säkularen und dem ultraorthodoxen Teil. Israel ist im Nahen Osten aber immer noch die einzige funktionierende Demokratie. Auch bezüglich der Rechte von Frauen und Homosexuellen ist Israel in dieser Weltgegend unerreicht. Freundinnen und Freunde der liberalen Demokratie sollten deshalb mit den Säkularen in Israel zusammenarbeiten und sie unterstützen. Dem steht unter anderem entgegen, dass die antiimperialistische Kulturlinke und die identitätspolitische Linke über weite Strecken von Ressentiments gegenüber Israel geprägt sind, mit fliessenden Übergängen zum Antisemitismus. Das gilt vor allem für den an Universitäten stark vertretenen Postkolonialismus.
«Es gibt in Deutschland Linke, denen Juden und Jüdinnen schlicht egal sind. Die einzigen Opfer, die in diesem komplexen, Jahrhunderte andauerndem Konflikt von ihnen gesehen werden, sind die auf palästinensischer Seite. Die Islamisten der Hamas findet man vielleicht nicht „cool“, aber sie sind nun mal die einzigen, die sich wirklich gegen die „zionistische Besatzungsmacht“ erheben. So wird gedacht. Jüdische Opfer sind zu weiß, zu westlich, zu zionistisch, um überhaupt als Opfer Solidarität zu erfahren. Viel wichtiger ist die „Dekolonialisierung“.»
Quelle:
Wenn Queerfeministinnen Terror gutheißen: Die unglaublichen Israel-Verwirrungen von Links (Tagesspiegel)
☛ Mehr Infos zur Identitätspolitik siehe:
Identitätspolitik unterminiert Demokratie und Rechtsstaat
☛ Website der Bildungsstätte Anne Frank
☛ Israel steckt auch in einer heftigen innenpolitischen Krise rund um die Verfassungsreform. Siehe dazu: