Die Sozialpsychologie beschreibt mit dem Begriff «Autoritarismus» bestimmte Einstellungen oder Persönlichkeitseigenschaften. Dabei geht es vor allem um faschistoide und antidemokratische Einstellungen.
Der Begriff ist psychologisch doppeldeutig, denn er beschreibt einerseits ein extrem dominantes Verhalten, andererseits die Bereitschaft zur Unterwerfung unter Ranghöhere. Insofern besteht ein Zusammenhang zwischen Autoritarismus und Gehorsam.
Autoritarismus kommt in unterschiedlichen politischen Strömungen vor. So gibt es beispielsweise einen linken, einen rechten und einen islamistischen Autoritarismus.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen rechtem und linkem Autoritarismus
Die Persönlichkeitsprofile hinter rechtem und linkem Autoritarismus weisen viele Gemeinsamkeiten auf. Philipp Hübl schreibt dazu in seinem Buch «Moralspektakel»:
«Rechts- und Linksautoritäre denken kollektivistisch, haben starke Vorurteile über ihre Gegner, wollen ihre Interessen mit Zwang durchsetzen und Abweichler hart bestrafen, sind aggressiv und neigen zum Verschwörungsdenken.»
Philipp Hübl geht auch detaillierter auf Unterschiede zwischen rechtem und linkem Autoritarismus ein:
«Rechtsautoritäre wollen als Anführer an der Spitze der Hierarchie stehen, ordnen sich jedoch schnell unter, wenn ihren diese Position versagt bleibt.» Ihre Haltung sei oft gepaart mit menschenfeindlichen Tendenzen, etwa der Abwertung von Minderheiten und der Hetze gegen Migranten, Juden, Homosexuelle oder Behinderte, schreibt Hübl. Rechtsautoritäre seien im Vergleich rigider, kaltherziger und weniger offen, Linksautoritäre dagegen emotional labiler, also unsicherer und ängstlicher. Linksautoritäre denken weniger in Hierarchien, verspüren jedoch mehr Schadenfreude als Rechtsautoritäre über Fehler der Gegenseite, sind noch intoleranter gegenüber abweichenden Meinungen und haben ein starkes Bedürfnis, die Sprache von anderen Menschen zu regulieren. Nicht nur im Alltag übersehe man die dominanten Neigungen von Linksautoritären leicht, auch die Forschung habe sie lange vernachlässigt, weil sie sich hinter Anliegen wie Minderheitenschutz oder Solidarität verstecken. Linker Autoritarismus zeigt sich aggressiv, feindselig und gewaltbereit unter dem Banner linker politischer Themen wie Anti-Rassismus, Klimaschutz oder LGBTQ-Rechte.
Rechtsautoritäre befürworten eher Gewalt gegen Minderheiten. Linksautoritäre richten sich dagegen eher gegen «gesellschaftliche Strukturen», wobei diese Haltung im Gegensatz zu klassischen Linken weder einem moralischen Prinzip der Fürsorge entspringt, also dem Mitgefühl mit Schwachen, noch einem Streben nach sozialer Gerechtigkeit. Stattdessen gehe es ihnen um Status und darum, ihre ich-bezogenen Neigungen zu befriedigen. Dazu schreibt Hübl:
«So ist es wenig überraschend, dass autoritäres Denken am linken und rechten Rand stark mit Psychopathie und der dominanten Variante des Narzissmus korreliert.»
Unterschiede in bestimmten Themenfeldern
Unterschiede zwischen rechtem und linkem Autoritarismus lassen sich auch in bestimmten Themenfeldern aufzeigen:
► Ideologie:
- Rechter Autoritarismus ist oft mit nationalistischen, konservativen oder faschistischen Ideologien verbunden. Er betont die Bedeutung von Tradition, nationaler Identität und Hierarchie.
- Linker Autoritarismus ist häufig mit sozialistischen oder kommunistischen Ideologien verbunden, die sich auf soziale Gerechtigkeit, Gleichheit und die Umverteilung von Ressourcen konzentrieren.
► Wirtschaft:
- Rechtsautoritäre unterstützen In der Regel eine kapitalistische Wirtschaftsordnung, wobei der Fokus auf der Erhaltung von Eigentum und der Förderung von Marktfreiheiten liegt, jedoch oft mit Eingriffen zur Aufrechterhaltung der Ordnung.
- Linksautoritäre befürworten oft eine stärkere Kontrolle über die Wirtschaft durch den Staat oder kollektive Einrichtungen, um soziale Ungleichheiten zu verringern.
► Gesellschaftliche Kontrolle:
- Rechter Autoritarismus neigt dazu, soziale Normen und Werte zu betonen, die als traditionell oder „normal“ gelten. Dies kann zu einer Ablehnung von Diversität und einer starken Kontrolle über soziale und kulturelle Aspekte führen.
- Linker Autoritarismus kann eine starke Kontrolle über das individuelle Verhalten und die Meinungsäußerung beinhalten, um die angestrebten sozialen Ziele zu erreichen, manchmal auch auf Kosten individueller Freiheiten. Dieser Aspekt zeigt sich vor allem in linker Identitätspolitik.
► Feindbilder:
- Rechtsautoritäre nehmen oft sehr pauschal bestimmte Gruppen, wie Einwanderer oder ethnische Minderheiten, als Bedrohung für die nationale Identität oder die soziale Ordnung wahr und neigen dazu, sie entsprechend zu diskriminieren.
- Linksautoritäre betrachten kapitalistische Strukturen oder westliche Einflüsse oft sehr pauschal als Bedrohung für die soziale Gerechtigkeit und die Gleichheit.
Quellen:
«Moralspektakel – Wie die richtige Haltung zum Statussymbol wurde und warum das die Welt nicht besser macht», von Philipp Hübl, Siedler Verlag 2024.
Beitrag «Autoritarismus in der Sozialpsychologie» auf Wikipedia.
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Ergänzungen:
► Linker Autoritarismus bleibt – wie schon von Philipp Hübel erwähnt – oft viel versteckter und «getarnt» unter guten Absichten. Er zeigt sich aber deutlich im Kontext von Identitätspolitik. Siehe dazu:
Identitätspolitik als Gift für die Demokratie
Identitätspolitik unterminiert Wissenschaft
►Wenig thematisiert wird ein islamistischer Autoritarismus. Er zeigt sich in bedingungsloser Unterwerfung unter religiöse Autortäten und Regeln – also gegen «oben», und autoritäre Machtausübung gegen «unten», also gegenüber Personen, die weniger Macht haben. Beispielhaft sind islamistische Jugendliche, die ihren Vätern ausgeliefert sind, aber gegenüber ihren Schwestern oder Mitschülerinnen Druck ausüben, wenn sie kein Kopftuch tragen wollen oder sich nicht an die Ramadan-Regeln halten. Siehe dazu:
Islamismus als antidemokratische Ideologie
► Rechter Autoritarismus kann sehr unterschiedliche Formen annehmen bis hin zum Führerkult in einer faschistischen Diktatur. Aktuell zeigt er sich in den aufkommenden rechtsextremen Parteien in demokratischen Ländern. Siehe dazu:
Rechtsextremismus als Gefahr für demokratische Gesellschaften
Fazit:
Demokratinnen und Demokraten sollten wachsam sein gegenüber autoritaristischen Tendenzen aus allen Richtungen – von rechts, von links und aus einer islamistischen Szene.
Um den Feinden der Demokratie entgegen zu treten ist es wichtig, dass Demokratinnen und Demokraten sich besser vernetzen und starke zivilgesellschaftliche Organisationen aufbauen. Ziel muss es sein, Demokratien im Inneren widerstandfähig zu machen und auch gegen äussere Feinde zu stärken.
Siehe dazu:
Feinde der Demokratie – zwölf Punkte und eine Aufforderung
Debattenkultur in der Demokratie
Buchtipp: «Die Achse der Autokraten – Korruption, Kontrolle, Propaganda: Wie Diktatoren sich gegenseitig an der Macht halten», von Anne Applebaum, Siedler Verlag 2024. Buchbeschreibung und Zitate.