Der renommierte Historiker Heinrich August Winkler hat der Online-Plattform «Watson» ein Interview gegeben. Darin wird er auch gefragt, ob Donald Trump ein Faschist sei. Die Antwort:
«Trump ist ein zutiefst illiberaler, autoritärer und nationalistischer Politiker, der dabei ist, die Grundlagen des amerikanischen Rechtsstaates zu zerstören. Die USA in eine faschistische Diktatur zu verwandeln, würde ihm aber, selbst wenn er es wollte, kaum gelingen. Dafür ist die Freiheitsliebe der Amerikaner zu stark entwickelt.»
Heinrich August Winkler zieht offenbar nicht den Schluss, dass Donald Trump ein Faschist sei. Er spricht aber sehr deutlich an, dass der US-Präsident dabei ist, den amerikanischen Rechtsstaat zu zerstören, und dass er autoritäre Neigungen hat.
Es ist sinnvoll, nicht vorschnell autoritäre Politiker mit der Bezeichnung «Faschist» zu bezeichnen oder inflationär von «Faschismus» zu reden. Damit wird nämlich der historische Faschismus oft verharmlost.
Andererseits zeigt Donald Trump allerdings auch Züge, wie sie auch ein Faschist zeigt. Er diffamiert zum Beispiel sehr massiv seine politischen Gegner, bewirtschaftet Feindbilder und Verschwörungstheorien, ignoriert die Gewaltenteilung.
Trump könnte allerdings ein Faschist werden
Peter R. Neumann und Richard C. Schneider beschreiben in ihrem Buch «Das Sterben der Demokratie – Der Plan der Rechtspopulisten in Europa und den USA», dass ein Rechtspopulismus nicht unbedingt auf Faschismus hinausläuft. Ein Rechtspopulist kann aber, wenn er an der Macht ist, leichter ein Faschist werden, denn die Schwächung der Gewaltenteilung schafft eine Situation, in der keine funktionierenden Strukturen und Mechanismen mehr existieren, die eine Umwandlung des Systems in Richtung von Autokratie, Kleptokratie oder gar Faschismus verhindern könnten. Auch wenn der Rechtspopulismus also noch kein Faschismus ist, steigert er das Risiko, dass Faschismus aus ihm hervorgeht.
Es könnte also sein, dass wir in dieser Vorphase sind, und Trump ein Faschist wird, denn er lässt immer wieder erkennen, dass er sich als den grossen und absoluten Führer sieht. Vielleicht ist allerdings sein hohes Alter auf diesem Weg ein Hindernis.
Ob der Optimismus Heinrich August Winklers gerechtfertigt ist, wonach die starke Freiheitsliebe der Amerikaner das Land davor schützen wird, in eine faschistische Diktatur abzugleiten, bleibt eine offene Frage. Die Polarisierung und der Tribalismus sind in den USA derart weit fortgeschritten, dass es schwer vorstellbar ist, dass die Amerikanerinnen und Amerikaner da wieder rausfinden. Diese schwere politische Pathologie wird nicht so einfach verschwinden, auch nach dem Abtreten Trumps.
Quellen:
«Es würde Trump nicht gelingen, die USA in eine faschistische Diktatur zu verwandeln» (Watson)
«Das Sterben der Demokratie – Der Plan der Rechtspopulisten in Europa und den USA», von Peter R. Neumann und Richard C. Schneider, Rowohlt Verlag 2025. Buchbesprechung und Zitate hier.
Siehe auch:
Rechtsextremismus als Gefahr für demokratische Gesellschaften
Rechtspopulismus – seine wichtigsten Merkmale
Agitator, der – als Feind der Demokratie
Demagogie als Gefahr für die Demokratie
Tribalismus, digitaler: Problematik des Stammesdenken
Polarisierung & Verschwörungstheorien
Polarisierung – ihre Auswirkung auf Demokratien
Plutokratie als Totengräber der Demokratie
Gewaltenteilung – unverzichtbar für die Demokratie