Identitätspolitik ist zutiefst durch Manichäismus geprägt, der scharfen Trennung der Welt in Gut und Böse. Das fördert die Polarisierung und spielt dem Rechtsextremismus in die Hände.
Zum Manichäismus der Identitätspolitik gibt es hier einen ausführlicheren Abschnitt:
Was Identitätspolitik mit Religion verbindet
Dass Identitätspolitik in die Polarisierung führt, hat der Politologe Yascha Mounk in einem Interview mit der «NZZ» am Beispiel der USA ausgeführt:
«Das ist die grosse Gefahr, dass die Polarisierung der Gesellschaft weiter voranschreitet und man sich irgendwann nur noch zwischen Robin Di Angelo und Donald Trump entscheiden kann. Das vollkommene Verschwinden der Mitte in den USA empfinde ich als Katastrophe. Die einzig wirklichen Stämme, die noch zusammenhalten, sind die Linksidentitären und die Rechtsreaktionären. Das ist im deutschsprachigen Raum zum Glück noch nicht so. Aber so wie McDonald’s irgendwann auch Frankreich erobert hat, so kann diese Polarisierung irgendwann auch den deutschsprachigen Raum erobern.»
Robin Di Angelo ist eine Ikone im identitätspolitischen Antirassismus. Ihr Bestseller «White Fragility» definiert Weisse grundsätzlich als Rassisten und fordert eine Umerziehung. Sie bietet dazu seit zwei Jahrzehnten antirassistische Sensibilisierungstrainings an. Das ist genauso radikal manichäisch wie es auch auf Donald Trump zutrifft.
Identitätspolitik und Polarisierung spielen den Rechtsextremen in die Hände
Am Beispiel von Donald Trump zeigt Yascha Mounk, wie Donald Trump von der Identitätspolitik (die er auch Identitätssynthese nennt) profitiert. Die exzessive Identitätspolitik der Linken verhelfe Donald Trump gerade zur Wiederwahl:
«Oberflächlich gesehen könnte man sagen, ein Donald Trump und ein Anhänger der Identitätssynthese hätten überhaupt nichts gemeinsam. Tatsächlich aber bedingen sie einander politisch und kulturell. Mit dem Wahlsieg von Trump 2016 wurde es viel schwerer, die schlechten Ideen der Identitätssynthese zu kritisieren. Viele dieser Ideen wurden genau in dieser Zeit institutionalisiert.»
Jeder der diese identitätspolitischen Ideen kritisierte, habe sofort als Verräter gegolten:
«Und nun sehen wir, dass der unglaubliche Einfluss, den diese Ideen auf viele Institutionen in den USA ausüben, einer der Gründe ist, warum der nächste Präsident der USA mit erheblicher Wahrscheinlichkeit wieder Donald Trump heissen wird.»
Das wisse er natürlich nicht sicher, aber danach sehe es im Moment aus:
«Laut den aktuellen Umfragen hat Trump einen klaren Vorsprung. Eine Analyse der ‘New York Times` zeigt, dass ungefähr 10 Prozent der republikanischen Anhänger aus einer neuen Wählergruppe bestehen, die überproportional nichtweiss, jung und bei sozialen Fragen eher progressiv ist – die aber den Einfluss von woken Ideen für so gefährlich und so extrem hält, dass sie für Trump stimmen wird. Diese zehn Prozent könnten genau den Unterschied ausmachen. Wenn Trump gewinnt, dann in bedeutendem Ausmass aufgrund dieser neuen Unterstützer.»
Quelle:
Hier frei falls Paywall:
Anmerkungen:
☛ Polarisierung ist nicht nur ein Element der Identitätspolitik, sondern auch regelmässig Bestandteil von Verschwörungstheorien. Siehe:
Polarisierung & Verschwörungstheorien
☛ Yascha Mounk hat ein sehr lesenswertes Buch geschrieben zum Thema «Identitätspolitik»:
„Im Zeitalter der Identität – Der Aufstieg einer gefährlichen Idee“, von Yascha Mounk, Klett-Cotta 2024. Buchbesprechung und Zitate.
☛ Hier gibt es einen Beitrag zur Polarisierung in der Schweiz und wie ihr entgegen gewirkt werden kann:
Mittel gegen toxische Polarisierung
☛ Die Linke müsste auf Distanz gehen zur Identitätspolitik und sich auf ihre traditionellen Aufgaben besinnen. Das wäre ein wichtiger Beitrag zur Eindämmung des Rechtsextremismus.