Der Osteuropa-Experte Prof. Dr. Klaus Gestwa hat in einem Interview mit dem Westfälischen Anzeiger ein düsteres Bild für die Ukraine, für Europa und Deutschland gezeichnet. Trump sei inzwischen zum Putin-Troll mutiert, der bedenkenlos Moskauer Desinformationsparolen nachplappere:
«Der Kreml kann sein Glück kaum fassen, dass der neue US-Präsident, der zuvor für einen „Frieden durch Stärke“ noch die Bereitschaft zu Militärschlägen gegen Moskau und harten Wirtschaftssanktionen erklärt hatte, jetzt im Gleichschritt mit Russland die Teilkapitulation der Ukraine erzwingen will. Die russische Presse titelt im imperialen Fiebertraum schon jubelnd: „Eine Welt für zwei“. In seiner Selbstüberschätzung übersieht Trump, dass der Kreml Verhandlungen nur als Papierfront des Kriegs und damit als eine spezielle russische Waffengattung versteht.»
Wladimir Putin versuche, Donald Trump mit Schmeicheleien, Versprechungen und dem gemeinsamen Feindbild Europa zu ködern.
Klaus Gestwa kritisiert, dass Trump seine Position und die der Ukraine dadurch erheblich geschwächt hat, «dass er schon vorab dem Kreml bei zwei zentralen Punkten – beim NATO-Beitritt der Ukraine und beim russischen Landraub – sein Entgegenkommen signalisierte.»
Klaus Gestwa sieht gefährliche Herausforderungen auf Europa zukommen
Klaus Gestwa sieht die Zukunft des europäischen Demokratie- und Friedensprojekts als unmittelbar auf dem Spiel stehend. Der Kreml habe die Wirtschaft und Gesellschaft längst auf Krieg getrimmt. Die Militärausgaben seien für die nächsten drei Jahre noch einmal massiv erhöht worden, um eine schlagkräftige russische Armee mit 1,5 Mio. Soldaten aufzubauen. Mehrfach habe Putin unmissverständlich erläutert, dass für ihn der Krieg ein legitimes Instrument zur Durchsetzung staatlicher Machtinteressen sei. Dazu sagt Klaus Gestwa:
«Mit dem russischen Imperialismus ist damit das Recht des Stärkeren und die Kriegsgefahr nach Europa zurückgekehrt. Die Zeichen stehen auf Mächteringen, Kräftemessen und Eskalation. Westliche Militärs, Sicherheitsexperten und Verteidigungspolitiker warnen, dass Russland angesichts der militärischen Fähigkeitslücken der europäischen NATO-Staaten bald das Risiko eingehen könnte, um mit Aggressionen gegen die baltischen Staaten und Polen auszutesten, wie es um die gemeinsamen Verteidigungswillen der transatlantischen Allianz wirklich bestellt ist. Solange Putin ein wenig Waffenruhe gegen Land eintauschen kann und der von ihm gehasste „kollektive Westen“ es nicht vermag, seinem imperialen Gebaren mit einer starken Abschreckungsmacht einen Riegel vorzuschieben, wird er auf Kriegspfad bleiben. Die russische Politik und Öffentlichkeit findet jedenfalls mit Europa im Fadenkreuz wachsenden Gefallen daran, Kriegs- und Siegesszenarien durchzuspielen.»
Quelle:
Trump als „Putin-Troll“: Osteuropa-Experte zeichnet düsteres Bild für Deutschland (Westfälischer Anzeiger)
Ergänzungen:
Der Historiker Prof. Dr. Klaus Gestwa ist seit 2009 Direktor des Instituts für Osteuropäische Geschichte und Landeskunde an der Universität Tübingen. Er kennt sich mit den Entwicklungen in Russland und in der Ukraine sehr gut aus.
Siehe auch:
► Dr. Klaus Gestwa, Professor für Osteuropäische Geschichte von der Universität Tübingen, widerlegt 8 populäre Theorien zu Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine:
► Vortrag: Herta Müller über «Politische Dämonen»
► Buchtipp: «Die Rückkehr des Krieges» von Franz-Stefan Gady
► Putinismus – Ideologie und Verschwörungstheorien