Auf den Strassen westlicher Länder und an westlichen Universitäten gibt es eine langanhaltende Welle von Protesten, die sich als pro-palästinensisch deklarieren. Und tatsächlich ist das Leid der Zivilbevölkerung in Palästina unübersehbar. Auffallend ist dabei, dass andere Konflikte mit ebenso vielem oder gar grösserem Leid die pro-palästinensischen Protestierer nicht zu interessieren scheinen. Das trifft zum Beispiel auf die dramatische humanitäre Krise im Sudan zu.
Die pro-palästinensischen Proteste auf den Strassen und an Universitäten werden vor allem von Hamas-nahen Islamisten und postkolonialistischen Akademikern getragen. Warum sind diese Aktivistinnen und Aktivisten nur gering oder gar nicht interessiert am Leid im Sudan, an der Unterdrückung der Uiguren in China oder der brutalen Gewaltherrschaft im Iran?
Diese Diskrepanz hat wohl vor allem ideologische Gründe. Schauen wir uns die Lage im Sudan an.
Russland beutet Goldminen im Sudan aus
Im Sudan bekriegen sich Milizenführer Hemeti und Armeechef al Burhan. Der grausame Krieg zwischen der sudanesischen Armee und der paramilitärische Miliz RSF tobt seit April 2023. Zehn Millionen Menschen sind auf der Flucht, mehr als 25 Millionen hungern, bis zu einer Million Menschen sind vom Hungertod bedroht. Es handelt sich um die gegenwärtig grösste Flüchtlingskrise der Welt. Aufgrund der Gefahrenlage haben sich die grossen humanitären Organisationen aus dem Land zurückgezogen.
Aber ein internationaler Aufschrei bleibt aus.
Die Hintergründe des Krieges im Sudan sind komplex. Milizenführer Hemeti kontrolliert lukrative Goldminen im Sudan. Er steht in engen Beziehungen zu Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und – speziell bedeutsam – Russland. Alle drei Länder liefern ihm Waffen im Tausch gegen Gold, das illegal aus dem Land geschafft wird. Das ist vor allem auch ein guter Deal für Kremlchef Wladimir Putin, der wegen westlichen Sanktionen auf neue Einnahmequellen angewiesen ist, um seinen Angriffskrieg in der Ukraine zu finanzieren.
Warum fokussieren die Proteste derart auf Israel?
Das Leid im Gazastreifen ist gross und real. Dass es dagegen Proteste gibt, ist nachvollziehbar. Trotzdem stellen sich eine Reihe von Fragen angesichts der Situation, dass zahlreiche Proteste an westlichen Universitäten und in den Strassen ausschliesslich auf Israel eindreschen und oft auch Jüdinnen und Juden in Europa oder den USA bedrohen.
Es spricht viel dafür, dass bei der identitätspolitischen akademischen Linken ideologische Elemente des Postkolonialismus eine wichtige Rolle spielen. Hier wird Israel sehr unterkomplex auf die Seite der westlichen Unterdrücker gestellt. Täter im Sudan oder im Iran sind für diese manichäische Weltsicht einfach unpassende Feinde, weil sie Teil des globalen Südens sind. Und da gibt es eine Beisshemmung, Menschenrechtsverletzungen zu kritisieren. Auch um imperialistische und kolonialistische Ausbeutung durch Russland ist im Postkolonialismus kaum ein Thema, weil hier der Westen der Bösewicht für alles ist.
Und die Hamas-nahen Islamisten, die zusammen mit den identitätspolitischen Linke protestieren, sehen in den Juden ihren Todfeind, den zu eliminieren ihr Hauptziel ist. Menschenrechtsverletzungen in muslimischen Ländern werden in diesen Kreisen gern übersehen.
Quelle:
Kreml handelt mit Miliz: Für Russland geht es im Sudan um viel Gold (n-tv)
Ausserdem:
☛ Wie Postkolonialismus Antisemitismus fördert und Terror legitimiert
☛ Antiimperialismus & Postkolonialismus befeuern linken Israelhass
☛ Historiker Yuval Noah Harari warnt vor Russlands Imperialismus
☛ Wie Antiimperialismus zu Antisemitismus führt
☛ Edward Said und der Israelhass an Universitäten
☛ Postkolonialismus als Quelle von Judenhass