Mit Ungarn und der Slowakei gibt es trotz des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine in der EU zwei Regierungen, die als Handlanger des Kremls agieren. In Rumänien droht eine ähnliche Entwicklung. Der rechtsradikale Präsidentschaftskandidat Calin Georgescu hatte wie aus dem Nichts kommend die letzte Präsidentschaftswahl im November gewonnen. Das rumänische Verfassungsgericht hatte die Wahl später wegen des Verdachts russischer Einmischung für ungültig erklärt. Calin Georgescu scheiterte vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte mit einem Antrag gegen die Annullierung seines Sieges.
Im Dezember 2024 leitete zudem die Europäische Kommission ein Verfahren gegen die chinesische Videoplattform Tiktok ein, die dem Rechtsradikalen mit russischer Unterstützung zum Sieg verholfen haben soll. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte erklärt, es gebe „ernsthafte Hinweise darauf, dass sich ausländische Akteure mit Hilfe von Tiktok in die rumänische Präsidentschaftswahl eingemischt haben.“
Die bulgarischen Geheimdienste hatten unter anderem festgestellt, dass Tausende zuvor inaktive TikTok-Konten vor der Wahl plötzlich begonnen hatten, Inhalte von Calin Georgescu massenhaft zu verbreiten. Obwohl sein TikTok-Konto nur wenige Abonnenten hatte, wurden seine Videos teils millionenfach angeschaut. Er soll zudem falsche Angaben über die Finanzierung seines Wahlkampfes gemacht haben.
Die Annullierung einer Wahl ist ein starker Eingriff in demokratische Prozesse. Allerdings muss sich eine Demokratie auch gegen Manipulationen von aussen schützen. Der politische Analyst Valeriu Turcan jedenfalls hält das Ausmaß der Manipulation für neu. Er erklärt gegenüber dem Sender Antena 1: „Es gab auch andere Länder, in denen Wahlen von außen angegriffen wurden, aber in keinem anderen Land hat die Manipulation ein solches Ausmaß erreicht wie in Rumänien.“
Calin Georgescu verbreitet brandgefährlichen Revisionismus
Calin Georgescu hat allerdings nicht nur einen äusserst obskuren, intransparenten Wahlkampf hingelegt. Er zündelt mit absolut gefährlichen revisionistischen Aussagen. Das osteuropäische Medium Nexta zitierte ihn mit den Worten: „Die Welt verändert sich. Grenzen werden sich ändern. Und wenn sich die Grenzen ändern, wo werden wir dann stehen?“ Er erhob dabei Anspruch auf Gebiete wie den ukrainischen Teil der Nordbukowina sowie Transkarpatien. Darüber hinaus behauptete Calin Georgescu, auch Ungarn und Polen hätten Interesse an ukrainischem Territorium. Wenn derartiger Revisionismus in Sinne der gewaltsamen Verschiebung von Grenzen aufgrund historischer Ansprüche wieder aufkommt, gehen wir auf gefährliche Zeiten zu. Wladimir Putin hat mit seinem imperialistischen, revisionistischen Angriff auf die Ukraine hier eine Tür zur Hölle aufgestossen. Der ungarische Premierminister Viktor Orbán – ein weiterer Putin-Groupie – hat ähnliche territoriale Ansprüche gegenüber Nachbarländern erhoben. Und Donald Trump in seiner Dummheit und Ignoranz ist von Putins revisionistischem Furor offensichtlich derart fasziniert, dass er seinerseits von territorialer Vergrösserung der USA schwadroniert – und Kanada, Panama und Grönland einzuschüchtern versucht.
Wie geht es in Rumänien weiter?
Es spricht viel dafür, dass Calin Georgescu bei seinem Wahlsieg entscheidende russische oder chinesische Unterstützung bekommen hat. Allerdings ist es oft so, dass Agitatoren und Demagogen auch einen Nerv treffen und vorhandene Unzufriedenheit bewirtschaften. Es gibt in der rumänischen Bevölkerung einen grossen Unmut über die politische Klasse, die sich, so die Wahrnehmung, nicht um die echten Probleme der Menschen kümmert und korrupt ist.
Die erste Runde der Wiederholung der Präsidentschaftswahl in Rumänien ist auf den 4. Mai 2025 angesetzt, die eventuell nötige zweite Runde auf den 18. Mai. Unabhängig von der Präsidentschaftswahl wurden in Rumänien im Dezember 2024 Parlamentswahlen durchgeführt. Aus diesen ging ein proeuropäisches Bündnis hervor, das bei der Präsidentschaftswahl mit Crin Antonescu einen gemeinsamen Kandidaten gegen Calin Georgescu ins Rennen schicken will. Es wäre sehr besorgniserregend und ein bedenkliches Signal bezüglich der Demokratie in Rumänen, wenn der obskure Rechtsextremist Calin Georgescu sich durchsetzen würde. Der Mann hat die rumänischen Faschisten von vor 1945 verherrlicht und groteske Verschwörungstheorien vertreten. Derartige Figuren sollten nicht mit politischer Verantwortung betraut werden.
Quellen:
Rumänischer Präsidentschaftskandidat will Ukraine-Territorium (n-tv)
Wahlwiederholung in Rumänien: „Manipulation hat in keinem Land ein solches Ausmaß“ (Tagesschau)
Wahlen in Rumänien: Erfolg des rechtsextremen Calin Georgescu wirft Fragen auf (SRF)
Siehe auch:
Agitator, der – als Feind der Demokratie
Demagogie als Gefahr für die Demokratie
Desinformation als Gefahr für die Demokratie
Buchtipp:
«Die Achse der Autokraten – Korruption, Kontrolle, Propaganda: Wie Diktatoren sich gegenseitig an der Macht halten», von Anne Applebaum, Siedler Verlag 2024. Buchbeschreibung und Zitate.