Woher kommt der Judenhass im Nahen Osten? Die Antwort auf diese Frage ist komplex. Falsch liegt jedenfalls, wer den Judenhass nur als Reaktion auf israelisches Verhalten in Palästina ausgeht. Es gibt einen seit sehr langen Zeiten etablierten muslimischen Judenhass, der auf den Koran zurückgeht – und vom Umgang des «Propheten» mit den Juden herkommt. Wenig bekannt ist der Einfluss, den eine intensive Nazi-Propaganda aus dem „Dritten Reich“ auf den Judenhass im Nahen Osten hatten.
Sechs Jahre lang, von 1939 bis 1945, sendet der Nazi-Radiosender Zeesen aus dem Umfeld von Berlin antisemitische Propaganda auf Arabisch und Persisch. Die Deutschen versuchten, den Krieg in Nordafrika zu gewinnen und hofften, sie könnten unter den Arabern Kollaborateure finden für Sabotage, Spionage und weitere Unterstützung.
Die Araber sollten dazu gebracht werden, gegen die Briten in Ägypten, Irak und Palästina zu putschen. Und die Nazi-Propaganda versuchte über den Judenhass die Araber an das Deutsche Reich zu binden.
Die meisten Araber und auch Perser waren zu jener Zeit Analphabeten. Gedruckte Agitation war teuer und in den britischen Einflussgebieten nur schwer unter die Leute zu bringen. So setzen die Nazis auf ein billiges, rasches und weitreichendes Medium: das Kurzwellen-Radio.
Die rund 80-köpfige Orientredaktion bereitete speziell für Araber, Türken, Perser und Inder Hetzmaterial auf. Allerdings wurde die nationalsozialistische Rassentheorie nicht eins zu eins übersetzt und durch den Äther gejagt, denn die Untermenschen-Parolen kamen dort nicht so gut an.
Nazi-Propaganda auf Kurzwelle schürt Judenhass auf Arabisch und Persisch
Der Historiker und Antisemitismus-Experte Matthias Küntzel hat die Nazi-Propaganda untersucht:
„Man hat die Erfahrung gemacht, dass man in der arabischen Welt, aber auch in Iran, mit der Rassentheorie nicht weit kam. Das war ein europäisches Konstrukt. Das hing ja mit Darwin, Sozialdarwinismus und diesen Punkten zusammen. Und man hat festgestellt, dass man einen ganz speziellen Zugang braucht, um wirklich den europäischen Judenhass in diese islamische Welt zu transferieren. Und der Zugang, das Türchen, das man da aufgemacht hat, das war die Religion. Man hat dort gesagt, dass Mohammed gegen die Juden gekämpft hat und dass Hitler dies heute auch tut.“
Die Propagandisten von Radio Zeesen schlachteten den Koran systematisch für ihre Zwecke aus. Antijüdische Textpassagen wurden aus dem Zusammenhang gerissen und im grossen Stil aufgebauscht.Die Auslandspropaganda stellt sich also ganz auf die islamische Zielgruppe ein und verzichtet auf innerdeutsche „Untermenschen“-Parolen. Sie schneidert ihre Hassbotschaften präzis auf die einzelnen Kulturkreise zu. Zum Beispiel auf den Iran, der seit 1941 von Briten und Sowjets besetzt war.
So berücksichtigt die Nazi-Propaganda von Radio Zeesen, dass in Persien seitjeher zahlreiche Schiiten leben – im Gegensatz zum sunnitisch-arabischen Ägypten.
Matthias Küntzel hat recherchiert, dass sich das persische Zeesen-Programm etwa auf den 12. Imam bezog, der für die Schiiten eine zentrale Figur ist:
«Der 12. Imam ist eine Art schiitischer Messias. Und man hat damals gesagt: Wenn jemand so vom Kriegsglück verfolgt wird wie Adolf Hitler, dann muss er wohl der 12. Imam sein, derjenige, der auswählt ist, die Welt zu befreien. Also diese Art von Gerüchten, dass Hitler eigentlich ein Mohammedaner sei, dass er eigentlich mit einer grünen Schärpe geboren sei, dass er das Bild von Ali, den die Schiiten verehren, immer bei sich trage. Solche Gerüchte griffen um sich, in einer ganz anderen Weise – viel mythologischer, als es in der arabischen Welt war.»
Die Nazi-Propaganda von Radio Zeesen argumentiert jedoch nicht nur religiös. Sie verbreitet auch alte Stereotype. Danach sind Juden feige und geizig, während Moslems als „mutig“ und „kriegerisch“ dargestellt werden.
Ideologische Gemeinsamkeiten zwischen Nazis und Arabern
Die Nazi-Propaganda schlägt allerdings bizarre Volten. Innerhalb Deutschlands wertet sie alle «Nichtarier» ab – nach aussen hin beschwört sie aber angebliche Gemeinsamkeiten der Deutschen mit den Arabern.
Der US-amerikanische Medienhistoriker und Antisemitismusforscher Jeffrey Herf sieht allerdings durchaus ideologische Gemeinsamkeiten zwischen den Arabern und dem nationalsozialistischen Deutschland:
«Sie waren, wie die Nazis gesagt haben, Judengegner. Sie waren gegen die Demokratie. Sie waren gegen eine pluralistische Gesellschaft. Sie waren für Ordnung und Stärke auch. Sie haben ein ganz traditionelles Verständnis von Männern und Frauen. Die Botschaft war, dass die Verbindung zwischen nationalsozialistischem Deutschland und den Arabern war nicht nur ein instrumentaler Bund, das war nicht nur: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Es war viel weiter. Es gab eine ideologische Gemeinsamkeit.»
Jeffrey Herf hat umfangreiche Unterlagen zu Radio Zeesen untersucht.
Nach seinen Recherchen ging es Adolf Hitler bei der Radio-Propaganda nicht nur um einen militärisch wichtigen Pakt mit den Moslems, sondern auch um die physische Vernichtung aller Juden:
„Die Radiosendungen waren Teil eines Versuchs, den Holocaust von Europa nach dem Nahen Osten zu exportieren.“
Die Araber sollten den Judenmord selbst in die Hand nehmen in ihrer jeweiligen Gegend.
Und die Nazi-Propaganda konnte tatsächlich mit Resonanz rechnen – insbesondere in Palästina. Seit 1936 wurde die Region von einem „Arabischen Aufstand“ erschüttert – der als Generalstreik gegen jüdische Einwanderung und britische Besatzung angefangen hatte.
Die radikale Moslembruderschaft unterstützte die Revolten, indem sie in Ägypten zum Boykott jüdischer Geschäfte aufrief.
Quellen zeigen, dass Nazi-Deutschland die erstarkenden Muslimbrüder heimlich finanziell unterstützte.
Grossmufti al-Husseini beim Führer
Und der Grossmufti von Jerusalem, Mohammed Amin al-Husseini, ein radikaler Prediger, der moderatere arabische Clans gewaltsam aus dem Weg geräumt hatte, wurde 1941 von Hitler in der Reichshauptstatt empfangen.
Al-Husseini hatte schon in den 1920er Jahren antijüdische Ausschreitungen in der heiligen Stadt angezettelt. Er bediente sich noch vor den Nazis des Korans, um Propagandamaterial gegen Juden zu finden. Er missbraucht etwa Hadithe, also Berichte über das Leben von Mohammed.
Der Historiker Matthias Küntzel sagt dazu:
«Es gibt zum Beispiel ein Hadith, demnach soll Mohammed gesagt haben, dass die Befreiung der Menschheit beginnt mit der Vernichtung aller Juden. Und dann wird also gesagt, dass die Juden sich hinter einem Baum und hinter einem Stein verstecken würden. Und der Baum und der Stein erklärt: Hinter mir versteckt sich ein Jude, komm, töte ihn Moslem. Also so furchtbare Hadithe.»
Die deutschen und die arabischen Antisemiten arbeiteten in dieser Zeit also Hand in Hand.
Der Historiker Jeffrey Herf kommt zum Schluss, dass die Nazi-Propaganda lange Zeit nachwirkte:
„Nach dem Krieg, in 46, 47, gab es eine antisemitische Welle im Nahen Osten. Und die Muslimenbruderschaft in Ägypten war sehr aktiv. Die Argumente gegen die Juden in der Muslimenbruderschaft waren ähnlich zu was man über das Radio während des Krieges hören konnte.“
Fachleute finden bis in die Gegenwart in der islamischen Welt alte Stereotype des NS-Antisemitismus. Auch die Terror-Organisationen Hamas und Hisbollah verwenden gern Parolen aus der Reichshauptstadt.
Die Radiosendungen der Nazi-Propaganda aus Zeesen produzierten einen Baustein des gegenwärtigen radikalen Islamismus, sagt Jeffrey Herf.
Quelle:
Nazi-Propaganda auf Arabisch (Deutschland Kultur)
Anmerkungen:
☛ Der Einfluss von Nazi-Propaganda auf den Judenhass im Nahen Osten sollte stärker thematisiert werden und nicht mehr weitgehend unter den Tisch gewischt werden. Der iranische Revolutionsführer Ayatollah Khomeini hat als junger Mann die Sendungen von Radio Zeesen in sich aufgesaugt. Die Vernichtung Israels ist daher nicht zufällig das Staatsziel des iranischen Regimes. Und dass die Nazis die Muslimbrüder mit Propaganda, Geld und Waffen unterstützten muss zu denken geben, ist doch die Hamas ein Ableger der Muslimbruderschaft. Sie macht quasi die «Arbeit» der Nazis mit der Judenvernichtung weiter. Die Hamas beruft sich in ihrer Gründungsakte auch auf die Verschwörungstheorie der «Protokolle der Weisen von Zion», die schon beim Nazi-Antisemitismus eine zentrale Rolle spielte.
☛ Matthias Künzel hat zum Thema Nazi-Propaganda im Nahen Osten ein sehr lesenswertes Buch geschrieben:
«Nazis und der Nahe Osten – Wie der islamische Antisemitismus entstand»
☛ Siehe auch:
Der Weg vom Nationalsozialismus zum Hass auf Israel
Judenhass der Nazis und der Hamas im Vergleich
Woher kommt der Antisemitismus im Nahen Osten?
Iran: Antisemitismus als Staatsideologie
Islamismus als antidemokratische Ideologie