Donald Trump hat schon einmal versucht, einen Staatsstreich durchzuführen. Mit dieser gewaltsamen Aktion ist er gescheitert, als er einen Mob dazu anstachelte, zum Kongress zu ziehen, um die Bestätigung von Joe Biden als dem gewählten Präsidenten zu verhindern. Der kriminelle Versuch, nach seiner Abwahl an der Macht zu bleiben, bestand allerdings nicht nur in diesem Saubannerzug auf den Kongress, er war viel umfassender. Zum Beispiel wenn Trump den Wahlleiter von Georgia, Brad Raffensperger, unter Druck setzte, die fehlenden Stimmen «zu finden».
Nach seiner erneuten Wahl setzt Donald Trump zu einem umfassenden administrativen Staatsstreich an und setzt sich über institutionelle Regeln und Gesetze ruchlos hinweg.
► Trump unterwirft sich die Verwaltung. Er will alle unabhängigen Beamten entlassen und durch ihm loyale Personen ersetzen. Die Verwaltung hat erhebliche Macht und es ist zentral für eine Demokratie, dass diese Macht unparteiisch eingesetzt wird. In Trumps erster Amtszeit hat sich gezeigt, wie wichtig Staatsdiener sind, die sich der Verfassung verpflichtet fühlen und nicht so handeln, als wären sie Angestellte oder gar Knechte des Präsidenten. Eine parteiische Verwaltung kann leicht gegen politische Gegner instrumentalisiert werden, zum Beispiel indem Steuerbehörden bei ihnen übergenau hinschauen, während sie bei MAGA-Anhängern beide Augen zudrücken.
► Trump attackiert die Gewaltenteilung, indem er versucht, die Justiz unter seinen Einfluss zu bekommen. Er hat eine Justizministerin installiert, die ihm gegenüber komplett loyal ist. Das geht nicht in einer Demokratie. Eine Justizministerin muss der Verfassung treu sein und im Konfliktfall zur Verfassung stehen, und nicht zum Präsidenten. Trump hat eine Reihe von Staatsanwälten entlassen, die in Ermittlungen gegen ihn involviert waren. Das geht nicht in einer Demokratie. Die Justiz muss unabhängig sein von der Exekutive.
Das sieht alles sehr nach einem administrativen Staatsstreich aus.
Macht Trumps administrativer Staatsstreich die USA zur Scheindemokratie?
Wir müssen uns von der Vorstellung befreien, dass bei einem Staatsstreich immer Panzer rollen. Es sind heute nicht selten gewählte Politiker, die den Rechtsstaat angreifen und den Staat so umbauen, dass die Opposition nur noch marginale Chancen hat, an die Macht zu kommen. Der ungarische Premierminister Viktor Orbán hat das beispielhaft gezeigt und es ist kein Zufall, dass Trump und Orbán sich gegenseitig überschwänglich toll finden.
Was Orbán vergleichsweise langsam und schrittweise angegangen ist, geht Trump in einem rasenden Tempo an. Im Gegensatz zu seinem ersten Amtsantritt weiss er nun, was er will. Und er begleitet seinen administrativen Staatstreich mit möglichst grossem Getöse, so dass seine Gegner nicht mehr wissen, wo ihnen der Kopf steht. Er verletzt am laufenden Band institutionelle Regeln und Gesetze, und er verlässt sich darauf, dass die juristische Klärung Monate bis Jahre dauern wird, während er vollendete Tatsachen schafft.
Dazu kommt noch, dass der republikanisch dominierte Kongress, die Legislative, die ihm zukommende Kontrollfunktion gegenüber der Exekutive nicht wahrnimmt.
Zugleich schüchtert Trump kritische Medien ein, indem er sie mit Klagen überzieht, nur weil sie ihre Funktion erfüllen.
Und er verschafft dem durch nichts legitimierten Tech-Milliardär Elon Musk Zugriff auf sehr grosse Mengen an Daten, die diesen nichts angehen – was Interessenkonflikte in endloser Zahl mit sich bringt.
Donald Trump ist unterwegs zu einer Position, die einem König gleicht – und es ist fraglich, ob es Kräfte und Institutionen gibt, die den laufenden administrativen Staatsstreich noch stoppen können.
Europa muss sich warm anziehen und zusammenstehen. Das gilt auch für die Schweiz. Demokratinnen und Demokraten sollten ihre Wachsamkeit erhöhen und sich besser vernetzen und organisieren.
Siehe auch:
Debattenkultur in der Demokratie
Demokratie – ihre typischen Merkmale
Scheindemokratien – ihre typischen Merkmale
Agitator, der – als Feind der Demokratie
Orban Viktor – Verschwörungstheorien als Regierungspolitik
Demokratie darf uns nicht müde machen, sagt Herta Müller