Die Türkei wird oft als Beispiel für eine Scheindemokratie angeführt, vor allem in den letzten Jahren unter der Führung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan und seiner Partei, der AKP (Gerechte Partei). Hier einige Elemente, die für die Entwicklung der Türkei hin zu einer Scheindemokratie prägend sind:
- Einschränkung der Pressefreiheit: In der Türkei gibt es eine prägnante Einschränkung der Pressefreiheit. Zahlreiche Journalisten wurden verhaftet, und viele Medien wurden geschlossen oder stehen unter staatlicher Kontrolle. Dies hat eine stark eingeschränkte Berichterstattung und einen Mangel an unabhängigen Nachrichtenquellen zur Folge.
- Unterdrückung der Opposition: Politische Gegner der Regierung, vor allem Mitglieder der pro-kurdischen HDP (Demokratische Partei der Völker) und andere oppositionelle Gruppen, sind oft Ziel von Verhaftungen und Repressionen. Dies hat zu einer Einschränkung der politischen Vielfalt geführt und schränkt den politischen Wettbewerb ein.
- Manipulation von Wahlen: Obwohl Wahlen in der Türkei durchgeführt werden, gibt es viele Berichte über Wahlunregelmäßigkeiten und Manipulationen. Die Regierung hat Maßnahmen erlassen, um sicherzustellen, dass die AKP an der Macht bleibt, was die Fairness und Transparenz der Wahlen in Frage stellt.
- Veränderungen in der Verfassung: Die Verfassungsänderungen von 2017 haben das politische System der Türkei einschneidend verändert, indem sie die Macht des Präsidenten stark ausgeweitet haben. Dies hat zu einer Konzentration der Macht in den Händen des Präsidenten geführt und die Gewaltenteilung unterminiert.
- Einschränkung der Bürgerrechte: Die Regierung hat Gesetze erlassen, die die Versammlungsfreiheit und das Recht auf Protest einschränken. Dies hat zu einem Klima der Angst und einer schwächeren Beteiligung der Bürger an politischen Aktivitäten geführt.
Erdoğan schickt die Türkei auf den Weg in die Autokratie
Diese oben aufgeführten Faktoren zeigen, dass die Türkei sich von einer funktionierenden Demokratie zu einem System entwickelt hat, in dem die grundlegenden Grundsätze der Demokratie, wie politische Pluralität, Meinungsfreiheit und faire Wahlen, stark eingeschränkt sind. Die Zerschlagung demokratischer Strukturen wurde dabei in aller Öffentlichkeit angekündigt, beschlossen und vollzogen. Mit dem Verfassungsreferendum vom 16. April 2017 hat die Autokratie in der Türkei Einzug gehalten. Markus Tiedemann beschreibt diese Entwicklung in seinem Buch «Post-Aufklärungs-Gesellschaft» so:
«Die republikanischen Instanzen der Türkei wurden ihren Aufgaben in weiten Teilen entbunden und die Staatsgewalt auf die Person Erdoğan zugeschnitten. Gleichzeitig sorgt der Machthaber, dessen egomanische Selbstverherrlichung seinesgleichen sucht, aus persönlicher Überzeugung oder aus machtpolitischem Kalkül dafür, dass die Religion als prägende Instanz in Schulen, Universitäten und Politik zurückkehrte. Kemal Atatürk kann sicherlich nicht uneingeschränkt als Vorstreiter der Aufklärung angesehen werden. Republikanismus und Säkularismus waren indes notwendige Bestandteile seines politischen Programms. Sein Emblem hängt noch immer in türkischen Amtsstuben, nur es gehört dort nicht mehr hin.»
Quellen:
«Post-Aufklärungs-Gesellschaft – Was wir verlieren und was uns bevorsteht», von Markus Tiedemann, Brill/Mentis Verlag 2023. Siehe dazu auch: Buchbesprechung und Zitate
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Anmerkungen
► Erdoğan hat die Türkei nicht nur zu einer Scheindemokratie umgebaut. Er hat dieser Scheindemokratie auch deutlich islamistische und antisemitische Züge verpasst. Bereits im Jahr 2002 begann nach dem ersten Wahlsieg der AKP die Islamisierung des Landes:
– Erdoğan und seine AKP zeigen eine grosse ideologische Affinität zur islamistischen Muslimbruderschaft und zu deren Ableger, der Hamas. Das zeigt sich in zahlreichen Solidaritätsbekundungen und Unterstützungshandlungen. Erdoğan lehnt Antisemitismus zwar vordergründig ab, fördert ihn aber mit zahlreichen Anspielungen und Äusserungen wo er nur kann.
Siehe dazu:
«Nazis und der Nahe Osten – Wie der islamische Antisemitismus entstand», von Matthias Küntzel, Hentrich & Hentrich Verlag 2019 (Seite 185 – 190).
– Die «egomanische Selbstverherrlichung», die Erdoğan zeigt, scheint eine charakteristische Eigenschaft vieler Autokratie-affiner Scheindemokarten zu sein (Trump, Orban…).
– Wie viele Autokratie-affine Scheindemokraten stabilisiert Erdoğan seine Machtposition durch die Bewirtschaftung von Feindbildern. Neben diversen Oppositionsgruppen, den Kurden, der Gülen-Bewegung und kritischen Medien gehören westliche Länder und insbesondere die EU zu seinen beliebtesten Feindbildern. Für die NATO und die EU ist der Umgang mit dem egomanischen Scheindemokraten Erdoğan eine grosse Herausforderung.
Siehe auch:
Feinde der Demokratie – zwölf Punkte und eine Aufforderung
Rechtsstaat – seine typischen Merkmale
Antisemitismus bedroht die Demokratie